Der rechte Winkel

 

 

 

Hans Walser

 

10. Juni 2015
Gymnasium, Goethestra§e 5, Rostock

 

11. Juni 2015, 10:00-11:00

Hochschule Wismar, HauptgebŠude, gro§er Hšrsaal

 

Neben Gerade und Kreis ist der rechte Winkel der wichtigste geometrische Grundbegriff in Alltag und Schule.

Im Vortrag kommen verschiedene Aspekte des rechten Winkels integrativ zur Sprache: Kindliche Grundvorstellungen Ÿber den rechten Winkel. GerŠte und Techniken zur Konstruktion eines rechten Winkels. Der rechte Winkel in der Zellbauweise (ãau§enÒ) einerseits und der GerŸstbauweise (ãinnenÒ) andererseits. Anwendung der OrthogonalitŠt in Optimierungsproblemen. Verallgemeinerung der OrthogonalitŠt und zugehšriger Eigenschaften, etwa des Satzes von Pythagoras, in den Raum und hšhere Dimensionen. Sprachliche und ethische Aspekte des ãRichtigseinsÒ.


 

1     Senkrecht, lotrecht, rechtwinklig

In der Abbildung 1 ist eine Kinderzeichnung einer ãrichtigenÒ Zeichnung gegenŸbergestellt.

 

Beschreibung: Beschreibung: 010

Abb. 1: Kinderzeichnung und ãrichtigeÒ Zeichnung

 

In der Kinderzeichnung ist der Kamin rechtwinklig zur DachflŠche und nicht senkrecht im Sinne der Schwerkraft.

2     Was ist ein rechter Winkel

2.1    90¡

Der rechte Winkel siedet bei 90¡.

Die Ma§angabe 90¡ fŸr den rechten Winkel ist zwar richtig, aber die Definition des Gradma§es setzt den rechten Winkel (und Vielfache davon) voraus.

Ein Winkel von einem Grad kann nicht mit Zirkel und Lineal konstruiert werden. Andernfalls kšnnte auch ein Winkel von 40¡ und damit ein regelmŠ§iges Neuneck konstruiert werden. Dies widerspricht einem Satz von Gau§.

2.2    Euklid

Rechter Winkel gleich linker Winkel.

Euklid: Der rechte Winkel ist gleich gro§ wie sein Nebenwinkel (Abb. 2). Hier kommt die Idee der GleichmŠ§igkeit, der Symmetrie also, zum tragen.

 

Abb. 2: Rechter Winkel


 

2.3    Werkzeuge

Es werden einige Beispiele mit zum Teil nur didaktischer Bedeutung vorgestellt.

2.3.1   Makros

In der Schule wird der rechte Winkel in der Regel nicht mit Zirkel und Lineal, sondern mit dem Geo-Dreieck als Makro gezeichnet.

Handwerker verwenden verschiedene Anschlagwinkel (Abb. 3).

                                   

Abb. 3: Anschlagwinkel. Spenglerwinkel

2.3.2   Orthogonalzirkel

Die Abbildung 4a zeigt ein mechanisches GerŠt. Beim Punkt P ist ein Drehpunkt. Wenn der Gleiter G auf der Geraden g sich hin und her bewegt, bewegt sich der Schreibpunkt S auf einer zu g orthogonalen Geraden auf und ab. Die Abbildung 4b gibt die Einsicht mit der ErgŠnzung zum Rechteck.

Abb. 4: ãOrthogonalzirkelÒ

Frage: Was erhalten wir, wenn wir den Schreibpunkt S an einer anderen Stelle des GerŠtes festmachen?

2.3.3   Seilspannen

Bei Lehrern beliebt ist die Zwšlfknotenschnur (Abb. 5). Sie soll im alten €gypten eingesetzt worden sein. Dies ist aber historisch nicht abgesichert. Die Zwšlfknotenschnur ist wohl eine Erfindung der Schulmeister im 19. Jahrhundert, um eine ãAnwendungÒ des pythagoreischen Dreiecks zu haben.

Abb. 5: Zwšlfknotenschnur

 

Die Anwendung ist unpraktisch, weil man jedes Mal die Knoten abzŠhlen muss. Zudem ist die Anwendung recht ungenau. Wer das nicht glaubt, soll selber eine Zwšlfknotenschnur knŸpfen.

Einfacher ist eine Dreiknotenschnur. Auch eine solche ist natŸrlich ungenau, die Abbildung 6 zeigt ein recht ungenaues Beispiel. Durch spiegelbildliche Anwendung kann der Fehler aber ausgemittelt werden. Hier kommt wie bei der Definition Euklids die Symmetrie zum Tragen.

 

Abb. 6: Dreiknotenschnur. Ausmitteln des Fehlers

 

2.3.4   Papierfalten

Die Abbildung 7 zeigt, wie aus einem unregelmŠ§igen Papier durch zweimaliges Falten eine Ecke mit einem rechten Winkel entsteht. Wichtig ist beim zweiten Schritt das Falten ãKante auf KanteÒ.

Abb. 7: Papierfalten

 

Frage: Was ergibt sich, wenn wir das zweimal gefaltete und damit vierlagige Papier mit einer Lochzange lochen und dann auffalten?

3     Das Haus der Vierecke

Welche Vierecke im Haus der Vierecke (Abb. 8) haben mit rechten Winkeln zu tun?

3.1    Vierecke mit rechten Viereckwinkeln

ZunŠchst natŸrlich das Quadrat und das Rechteck. Diese haben einen rechteckigen Rahmen, sind also Zellen mit rechten Winkeln.

Frage: Ist diese rote Liste (Abb. 8a) vollstŠndig?

 

Abb. 8: Haus der Vierecke

 

3.2    Vierecke mit orthogonalen Diagonalen

Rechte Winkel finden wir aber auch als Diagonalenschnittwinkel bei Quadrat, Rhombus (Raute) und Drachenviereck. Wir haben ein rechtwinkliges GerŸst oder Skelett.

In der blauen Liste (Abb. 8b) hat zunŠchst das Quadrat vier Symmetrieachsen, der Rhombus noch zwei, nŠmlich die beiden Diagonalen, und das Drachenviereck noch eine. Damit ist die blaue Liste unvollstŠndig. Es fehlen die Vierecke mit orthogonalen Diagonalen (Abb. 9a), welche keine Symmetrien aufweisen. Diese haben einige neckische Eigenschaften.

3.2.1   AbstŠnde der Kantenmitten

Genau bei Vierecken mit orthogonalen Diagonalen sind die AbstŠnde gegenŸberliegender Kantenmitten (in der Abbildung 9b die grŸne und die rote Strecke) gleich lang. FŸr den Beweis ist das aus den Kantenmitten gebildete Viereck hilfreich.

Abb. 9: Orthogonale Diagonalen. AbstŠnde der Kantenmitten

3.2.2   Briefumschlag

Genau bei Vierecken mit orthogonalen Diagonalen kann in vier Schritten ein (asymmetrischer) Briefumschlag gefaltet werden (Abb. 10).

Abb. 10: Briefumschlag

3.2.3   Angesetzte Quadrate und Dreiecke

Wir setzen den Seiten des Viereckes Quadrate auf, wie man das von der Pythagoras-Figur her kennt (Abb. 11a). Dann ist die Summe der FlŠchen der grŸnen Quadrate gleich der Summe der FlŠchen der roten Quadrate. Dies kann mit Pythagoras leicht nachgerechnet werden. 

Abb. 11: Angesetzte Quadrate

Die Verbindungsstrecken gegenŸberliegender Quadratmitten sind gleich lang und schneiden sich im Diagonalenschnittpunkt (Abb. 11b). Die so entstehenden Winkel sind alle gleich gro§ (45¡).

Wir kšnnen auch gleichseitige Dreiecke ansetzen (Abb. 12). GegenŸberliegende DreiecksflŠchen sind zusammen je gleich gro§.

Abb. 12: Angesetzte Dreiecke

Die Verbindungsstrecken gegenŸberliegender Dreiecksspitzen sind gleich lang. Sie schneiden sich allerdings nicht im Diagonalenschnittpunkt und sind untereinander nicht orthogonal.

Statt gleichseitiger Dreiecke kann man auch zueinander Šhnliche gleichschenklige Dreiecke mit den Basen an die Viereckseiten ansetzen.

3.2.4   Minimale Wegenetze

Die Abbildung 13 zeigt zwei Wegenetze, welche die Eckpunkte eines Quadrates verbinden. Im Einheitsquadrat hat das rote Wegenetz mit den gleichmŠ§igen Bifurkationswinkeln 120¡ die GesamtlŠnge  und ist damit kŸrzer als das aus den Diagonalen bestehende Wegenetz mit der GesamtlŠnge . Allerdings gibt es zwei Topologien fŸr das rote Wegenetz (Abb. 14). Die beiden roten Wegenetze haben natŸrlich die gleiche GesamtlŠnge.

 

Abb. 13: Wegenetze

 

Abb. 14: Zwei Topologien

 

Nun verŠndern wir das Quadrat zu einem Rechteck (Abb. 15). Die Breite sei 1.125 und die Hšhe 1. Das rote Wegenetz hat die GesamtlŠnge , das magenta Wegenetz die grš§ere GesamtlŠnge . Das rote Wegenetz ist das globale Minimum, das magenta Wegenetz ist minimal im Vergleich zu allen andern Wegenetzen mit derselben Topologie. Es ist also ein lokales Minimum.

Abb. 15: Rechtecke. Globales und lokales Minimum

Die Abbildung 16 zeigt die analoge Situation fŸr ein beliebiges Viereck. Relativ zur eingetragenen blauen Einheitsstrecke hat das rote Wegenetz die GesamtlŠnge 25.91 und das magenta Wegenetz die GesamtlŠnge 26. 59.

Abb. 16: Beliebiges Viereck

Die Frage ist nun, ob es au§er dem Quadrat weitere Vierecke gibt, in denen die beiden Topologien zu Wegenetzen gleicher GesamtlŠnge fŸhren. Dies ist genau fŸr die Vierecke mit orthogonalen Diagonalen der Fall (Abb. 17). FŸr den Beweis siehe (Haag 2003).

Abb. 17: Gleich lange Wegenetze

4     Analoga zum Quadrat im Raum

4.1    WŸrfel und Oktaeder

Bei der Frage nach dem (Singular!) Analogon zum Quadrat im Raum denkt man zunŠchst an den WŸrfel (Abb. 18).

 

Abb. 18: Das Quadrat wird zum WŸrfel

 

Das ist dann angebracht, wenn wir das Quadrat als Zelle mit vier rechten Winkeln interpretieren.

Sehen wir aber das Quadrat durch ein GerŸst von zwei orthogonalen gleich langen und sich halbierenden Diagonalen aufgespannt, ist das rŠumliche Analogon das regelmŠ§ige Oktaeder (Abb. 19).

 

Abb. 19: Das Quadrat wird zum Oktaeder

 

Es gibt also verschiedene Analoga zum Quadrat im Raum.

4.2    Vektorzug

4.2.1   Quadrat als Vektorzug. Kreisprozesse

Wir kšnnen das Quadrat auch als Vektorzug von vier sukzessive orthogonalen Einheitsvektoren sehen (Abb. 20a). Wir beginnen mit einem Startvektor  und bilden die weiteren Vektoren rekursiv:

Der Vektorzug schlie§t sich mit der PeriodenlŠnge 4. Es ist .

Diese Sicht des Quadrates ist die weitaus wichtigste Anwendung des Quadrates, da sie schematisch fŸr alle Kreisprozesse der PeriodenlŠnge 4 gebraucht werden kann. Der Klassiker sind die vier Jahreszeiten (Abb. 20b).

Abb. 20: Vektorzug. Jahreszeiten

 

Die Abbildung 21 zeigt das Funktionsschema eines Viertaktmotors.

 

Abb. 21: Viertaktmotor

 

In der Abbildung 22 sehen wir das Schema der Modellierung in der Zusammenarbeit von Ingenieuren und Mathematikern. Als junger Lehrer war ich der Meinung, die Kenntnis dieses Schemas erleichtere den SchŸlerInnen das Lšsen von ãSŠtzlirechnungenÒ.

Abb. 22: Modellierung

4.2.2   Verallgemeinerung in den Raum

Wir verallgemeinern nun die Idee des Vektorzuges wie folgt. Wir beginnen mit zwei orthogonalen Startvektoren  und  der LŠnge 1. Die weiteren Vektoren bilden wir rekursiv mit Hilfe des Vektorprodukts (cross product):

Die Abbildung 23 illustriert den Sachverhalt. Die schwarzen WŸrfelchen sind als rŠumliche Orientierungshilfe eingezeichnet. Zwar ist  und allgemein . Wir haben also ein periodisches Verhalten mit der PeriodenlŠnge 3. Aber der Vektorzug schlie§t sich nicht. Es entsteht eine eckige Spirale. Die Spirale lŠuft auf einem Dreikant mit den blauen Linien als Kanten. Der Querschnitt des Dreikants ist ein regelmŠ§iges Dreieck.

Abb. 23: Eckige Spirale

Der Dreikant mit Spirale kann als Modell aus einer DIN A4 Folie (Abb. 24) gebaut werden. Wir zeichnen eine Diagonale auf die Folie und falten parallel zur kurzen Seite auf Achtel, alle Faltlinien in derselben Richtung, zum Beispiel alles ãTalfaltÒ. Dann wird aufgefaltet, zu einem Dreikant aufgewickelt und mit BŸroklammern fixiert.

 

    

Abb. 24: Modell

 

Die Abbildung 25 zeigt eine handfeste Form der eckigen Spirale (vgl. [Eckige Spirale]). Die blaue Linie ist die Spiralachse.

 

Abb. 25: Eckige Spirale

 

4.2.3   Struktur der Analogie

Die Analogie zwischen dem Drehen der Vektoren um 90¡ in der Ebene und dem Vektorprodukt im Raum begreift sich aus Folgendem.

In der Ebene konstruieren wir zu einem Vektor

die formale Matrix A:

Die EintrŠge in der ersten Spalte von A sind die Komponenten des Vektors , die EintrŠge in der zweiten Spalte sind keine Zahlen, sondern die beiden Einheitsvektoren eines ebenen kartesischen Koordinatensystems. Nun berechnen wir formal die Determinante dieser Matrix A:

Diese Determinante ist ein Vektor, und zwar der um +90¡ gedrehte Vektor .

Im Raum konstruieren wir analog zu zwei Vektoren

die formale Matrix A:

FŸr die formale Determinante erhalten wir mit der Entwicklung nach Laplace nach der dritten Spalte:

Diese Determinante ist ein Vektor, und zwar das Vektorprodukt der beiden Vektoren  und .

Diese Analogie lŠsst sich in beliebige Dimensionen n verallgemeinern. Zu  Vektoren

berechnen wir formal die Determinante:

Die Schreibweise , gesprochen ãcross(...)Ò, ist an die Schreibweise des Vektorproduktes angelehnt.

Die Determinante ist ein Vektor mit folgenden Eigenschaften:

á        Er ist orthogonal zu jedem der  Inputvektoren .

á        Seine LŠnge hat (bis auf das Vorzeichen) dieselbe Ma§zahl wie das -dimensionale Volumen des durch  aufgespannten Spates.

á        Die Zuordnung  ist antikommutativ. Vertauschen zweier Inputvektoren stellt die Richtung um.

Die Beweise sind eine schšne †bung in linearer Algebra, insbesondere der Determinanten-Berechnung (vgl. [Vektorprodukt]).

4.2.4   ParitŠtsunterschiede

In der Ebene erhielten wir einen geschlossenen Vektorzug der LŠnge 4, eben ein Quadrat. Im Raum ergab sich zwar eine PeriodizitŠt mit der PeriodenlŠnge 3, aber der Vektorzug schlie§t sich nicht, sondern bildet eine unendlich lange eckige Spirale.

Dies lŠsst sich verallgemeinern:

FŸr gerade Dimensionen n erhalten wir nach 2n Schritten einen geschlossenen Vektorzug. Wir haben eine PeriodizitŠt der PeriodenlŠnge 2n.

FŸr ungerade Dimensionen n ergibt sich eine unendliche lange eckige Spirale der Ganghšhe n. Wir haben fŸr die Vektoren eine PeriodizitŠt der PeriodenlŠnge n.

Nachweis durch Rechnen und Induktion.

Der Grund fŸr diese ParitŠtsunterschiede liegt im alternierenden Vorzeichen bei der Laplace-Entwicklung der Determinante.


 

5     Pythagoras

Der musste ja kommen.

In der Schule lernen wir in der Standardbezeichnung:

Sehr oft wird allerdings der Satz nur in einer Richtung bewiesen, nŠmlich von links nach rechts. Die meisten Anwendungen beruhen ja auch auf dem Satz in dieser Richtung.

5.1    Das Problem des Lukas

Mein SchŸler hat mich wochenlang mit der Frage gelšchert, warum man bei der Berechnung der HypotenusenlŠnge c (mit der Formel ) den Umweg Ÿber die QuadratflŠchen brauche.

Seine Frage bezog sich nicht darauf, ob und warum es mit dieser Formel funktioniert, sondern darauf, warum es nicht einfacher nur mit LŠngen geht, also problemkonform.

5.2    Verallgemeinerung in den Raum

In der Schule wird dann fŸr die Raumdiagonale d eines Quaders mit den KantenlŠngen a, b und c die Formel

als ãrŠumlicher PythagorasÒ angeboten. Bei Lichte besehen ist es allerdings nur eine zweimalige Anwendung des ebenen Pythagoras. Und gilt nur in der einen Richtung wie das Beispiel der Abbildung 26a illustriert. Es handelt sich um den pythagoreischen Quader mit den KantenlŠngen 2, 1, 2 und der DiagonalenlŠnge 3. Diese LŠngen garantieren aber nicht, dass es sich um eine Quader mit rechten Winkeln handelt. Wir kšnnen zu diesen Daten sogar eine ebene Figur bauen (Abb. 26b).

 

Abb. 26: Quader und flache Figur


 

5.3    Raum-Ecke

Wir nehmen eine Raum-Ecke eines WŸrfels als Analogon des ebenen rechten Winkels (Abb. 27).

Abb. 27: Raum-Ecke

 

Es handelt sich um ein unregelmŠ§iges Tetraeder mit drei rechten Winkeln an einer Ecke.

Nun bezeichnen wir als KathetenflŠchen  die drei an die rechte Raum-Ecke ansto§enden DreiecksflŠchen des Tetraeders (Abb. 28) und als HypotenusenflŠche H die vierte DreiecksflŠche.

 

Abb. 28: KathetenflŠchen und HypotenusenflŠche

 

Damit gilt das Analogon zum ebenen Satz des Pythagoras:

Allerdings gilt auch hier die Umkehrung nicht.

Da FlŠchen quadriert werden, operiert dieser Satz im vierdimensionalen Raum.

Beweis mit Rechnen (vgl. [Pythagoras]).

Als Beispiel ein Sonderfall, das Analogon zum rechtwinklig gleichschenkligen Dreieck (Abb. 29).

Abb. 29: Sonderfall

Es ist:

Funktioniert auch in hšheren Dimensionen. Die Abbildung 30 illustriert den vierdimensionalen Fall. Wir haben es jetzt mit Kathetenvolumina und einem Hypotenusenvolumen zu tun.

 

Abb. 30: Vierdimensionaler Fall

 

Die Formel

ist eine sechsdimensionale Aussage.


 

6     Optimierung und Kulturtechniken

6.1    Minimaler Abstand

Die letzte Mark ist die teuerste.

Senkrecht Ÿber die Stra§e ist der kŸrzeste Weg.

Der minimale Abstand ist orthogonal. Die Abbildung 31 illustriert das in der Theorie. Wir schlaufen eine doppelte Schlinge durch das Loch und ziehen nach unten. Dann stellt sich der minimale Abstand ein.

Abb. 31: Der minimale Abstand ist orthogonal

 

In der Praxis funktioniert das nicht ganz (Abb. 32). Am Schluss ist offenbar die Reibung stŠrker als die Kraft entlang der Rechteckkante.

 

Abb. 32: Praxis

 


 

6.2    Optimierung im Bauwesen

Die stille Schšnheit der Plattenbauten

Der rechte Winkel erlaubt ein optimales Bewirtschaften von vielen Materialien. Die Plattenbauten der Abbildung 33 stammen aus DDR-Zeiten (Berlin Marzahn).  

 

                                   

Abb. 33: Plattenbauten

 

Bauten unter Betonung der OrthogonalitŠt und insbesondere der Vertikalen und Horizontalen entstanden oft in Notzeiten. So entstand in England nach der Pestepidemie 1349/50 der Perpendicular Style.

6.3    Flechten und Weben

Weben und Flechten gehšren wohl zu den Šltesten Kulturtechniken. In diesen Techniken haben wir zwei orthogonale Scharen von FŠden (Schuss und Kette) beziehungsweise Ruten (Abb. 34).

 

                                   

Abb. 34: Geflecht


 

7     Ethik und Sprache

Aber erst musst du mir selber gebaut sein, rechtwinklig an Leib und Seele.

Nietzsche, Zarathustra

Die Rechtwinkligkeit wird in der Sprache oft mit einem ethischen Konnex versehen. Als Beispiel etwa der ãschrŠge VogelÒ.

Auch die bauliche Korrektheit wird mit dem rechten Winkel in Beziehung gebracht: Etwas ist im Winkel oder aber nicht im Winkel. Oder: Die Sache ist im Lot, eine Formulierung, die meist im Ÿbertragenen Sinn gebraucht wird.

8     Orientierungsmuster

8.1    Senkrecht und waagerecht

Senkrecht und waagerecht, sowohl im Sinne der Schwerkraft wie auch im Sinne des Schreibpapiers, werden oft als Orientierungsmuster verwendet. Dies kann sogar zu unterschiedlichen Begriffen fŸhren (Abb. 35). Das auf Spitz stehende Quadrat wird nicht mehr als Quadrat angesprochen, sondern als Raute. Falsch ist es nicht.

 

Abb. 35: Quadrat und ãRauteÒ

 

8.2    Quadrate im Schachbrett

Frage: Wie viele Quadrate gibt es im Schachbrett? (vgl. Mason, Burton, & Stacey, 1982/2010) (vgl. [Schachbrett] ). Diese Frage wurde in einer Untersuchung von FŸnftklŠsslern verwendet (Lange, 2014 und Rott, 2014).

Interessanterweise wurden von den SchŸlerInnen nur Quadrate gefunden, die sich eng an den Raster des Schachbrettes anschlossen: Eckpunkte mŸssen Rasterpunkte sein, Seiten parallel zum Raster (Abb. 35a). Die Anzahl solcher Quadrate ist:

Abb. 36: BodenstŠndiges und spitzstŠndiges Quadrat

 

SpitzstŠndige Quadrate (Abb. 36b) wurden nicht gefunden. Die Anzahl solcher Quadrate ist:

Nimmt man Bezug auf die Regeln fŸr die Schachfiguren, kšnnen auch Quadrate durch die Schachfiguren generiert werden. Die Abbildung 37a zeigt ein von einem wei§en LŠufer gezeichnetes Quadrat. Die Eckpunkte solcher Quadrate sind Feldermitten. FŸr die Anzahl solcher Quadrate gilt:

 

Abb. 37: LŠufer und Springer

 

Ein Springer kann in vier ZŸgen ein Quadrat der Abbildung 37b absolvieren. FŸr die Anzahl solcher Quadrate erhalten wir:

Ein Springer kann auch einen WŸrfel generieren (Abb. 38a, 48 Mšglichkeiten) und sogar einen vierdimensionalen WŸrfel (Abb. 38b, 4 Mšglichkeiten).

Abb. 38: WŸrfel und 4d-HyperwŸrfel

 

Den HyperwŸrfel kann der Springer in einem Durchgang absolvieren, beim WŸrfel muss er einige Kanten zweimal durchlaufen.

Alle bis jetzt gefundenen Quadrate sind in irgend einer Art am Schachbrett und den Spielregeln orientiert. Es ist sehr schwer, davon loszukommen.

Wenn wir ein Origami-Papier auf das Schachbrett legen (Abb. 39), erkennen wir sofort, dass es unendlich viele Quadrate im Schachbrett gibt.

 

Abb. 39: Quadrat im Schachbrett

 


 

Literatur

Euklid (1980): Die Elemente. Nach Heibergs Text aus dem Griechischen Ÿbersetzt und herausgegeben von Clemens Thaer. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft. ISBN 3-534-01488-X.

Haag, Wilfried (2003): Wege zu geometrischen SŠtzen. Stuttgart: Klett. ISBN 3-12-720120-6.

Lange, Diemut (2014): Kooperationsarten in mathematischen Problemlšseprozessen. J Math Didakt 35. 173-204.

Mason, J, Burton, L., & Stacey, K. (1982/2010): Thinking mathematically (2nd Ed. 2010). Dorchester: Pearson.

Rott, Benjamin (2014): Mathematische Problembearbeitungsprozesse von FŸnftklŠsslern – Entwicklung eines deskriptiven Phasenmodells. J Math Didakt 35. 252-282.

SchŠfke, Werner (1985): Englische Kathedralen. Eine Reise zu den Hšhepunkten englischer Architektur von 1066 bis heute. 2. Aufl. Kšln: DuMont. ISBN 3-7701-1313-6.

 

Websites

[Eckige Spirale], abgerufen 6. 1. 2015

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/E/Eckige_Spirale/Eckige_Spirale.pdf

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/E/Eckige_Spirale/Eckige_Spirale.htm

[Pythagoras], abgerufen 6. 1. 2015

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Verallg_Pythagoras2/Verallg_Pythagoras2.htm

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Verallg_Pythagoras2/Verallg_Pythagoras2.pdf

[Schachbrett], abgerufen 6. 1. 2015

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/Q/Quadrate_im_Schachbrett/Quadrate_im_Schachbrett.htm

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/Q/Quadrate_im_Schachbrett/Quadrate_im_Schachbrett.pdf

[Vektorprodukt], abgerufen 7. 1. 2015

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Verallg_Vektorprodukt/Verallg_Vektorprodukt.htm

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/V/Verallg_Vektorprodukt/Verallg_Vektorprodukt.pdf

 

Adresse des Autors:

Hans Walser

hwalseratbluewin.ch

www.walser-h-m.ch/hans/