Hans Walser

 

 

Halbe WŸrfel

 

 

 

 

 

 

Tag der Mathematik

Donnerstag, 7. Februar 2019

Karl-Franzens-UniversitŠt Graz

1   Worum geht es?

Ein WŸrfel kann nicht mit Zirkel und Lineal in einen volumenmŠ§ig halb so gro§en WŸrfel verwandelt werden. Hingegen gibt es eine Vielzahl von einfach zu konstruierenden Figuren, welche das WŸrfelvolumen halbieren. Dabei spielen SymmetrieŸberlegungen eine wichtige Rolle. Mit diesen Figuren kann der Raum lŸckenlos und Ÿberlappungsfrei aufgefŸllt werden. Dabei zeigt sich der Unterschied zwischen dem statischen ãPassenÒ und dem kinematischen ãEinpassenÒ. Die †berlegungen spielen in den Dimensionen zwei, drei und vier.

FŸr die Herstellung der Figuren wird unter anderem der ãAffensattelÒ verwendet. Weiter arbeiten wir virtuell mit 3d-Origami.

2   WŸrfelhalbierung

2.1  Beispiele

Beim Stichwort ãWŸrfelhalbierungÒ denken wir zunŠchst an das Problem, zu einem gegebenen WŸrfel einen volumenmŠ§ig halb so gro§en WŸrfel zu finden. Dieses Problem – es handelt sich um das Pendant zur ãWŸrfelverdoppelungÒ – kann nicht mit Zirkel und Lineal gelšst werden. Hingegen kšnnen sehr einfach Figuren mit dem halben WŸrfelvolumen gefunden werden, welche selber keine WŸrfel sind (Abb. 1). Zu dieser Art der WŸrfelhalbierung siehe Walser (2018), S. 93-108.

Abb. 1: Halbes WŸrfelvolumen

Im zweiten und vierten Beispiel der Abbildung 1 sind der untere rote Teil und der obere wei§e ErgŠnzungsteil ungleichsinnig kongruent.

2.2  Der Affensattel

Die Abbildung 2 zeigt den sogenannten Affensattel sowie einen auf eine Ecke gestellten WŸrfel.

Abb. 2: Affensattel und WŸrfel

Der Affensattel mit der Gleichung  hat bezŸglich der z-Achse eine dreiteilige Drehsymmetrie. Dies gilt aber auch fŸr den WŸrfel, wenn eine Kšrperdiagonale auf der z-Achse liegt.

Wir schneiden nun mit Hilfe des Affensattels den oberen Teil des WŸrfels weg (Abb. 3). Somit erhalten wir einen halben WŸrfel. Das blau eingezeichnete GegenstŸck liegt dazu punktsymmetrisch.

Abb. 3: Schnitt des WŸrfels mit dem Affensattel

Der Affensattel kann als Graf einer Funktion in x und y mit Funktionswerten in der z-Richtung gesehen werden. Daher schneidet jede Parallel zur z-Achse den Affensattel genau einmal. Wir kšnnen also die beiden halben WŸrfel der Abbildung 3 in der z-Richtung friktionslos auseinanderheben und kollisionsfrei wieder zusammenfŸgen (Abb. 4).

Abb. 4: Bewegen der beiden halben WŸrfel

2.3  ZwšlffŸ§ler

Wir legen nun einen der beiden halben WŸrfel so ins kartesische Koordinatensystem dass eine Ecke auf den Ursprung zu liegen kommt und drei WŸrfelkanten auf die Koordinatenachsen (Abb. 5).

Abb. 5: Einpassen ins kartesische Koordinatensystem

Anschlie§end spiegeln wir die Figur an den Koordinatenebenen und erhalten so einen ZwšlffŸ§ler oder Dodekapus (Abb. 6).

Abb. 6: Spiegelung an den Koordinatenebenen. ZwšlffŸ§ler

3   RaumfŸller

Der ZwšlffŸ§ler ist ein sogenannter RaumfŸller. Wir kšnnen mit kongruenten ZwšlffŸ§lern den Raum lŸckenlos und durchdringungsfrei ausfŸllen. Allerdings muss man dabei richtig vorgehen.

Der Versuch, zunŠchst vier ZwšlffŸ§ler in einer Ebene quadratisch auszulegen (Abb. 7, linkes Bild) und dann von oben einen fŸnften in die LŸcke zu schieben, scheitert. Der blaue ZwšlffŸ§ler kollidiert mit den anderen.

Abb. 7: Falsches und richtiges Vorgehen fŸr das Einpassen

Wir mŸssen vielmehr die fŸnf ZwšlffŸ§ler zunŠchst rŠumlich so positionieren, dass ihre Mittelpunkte eine quadratische gerade Pyramide bilden, deren Hšhe halb so lang ist wie die Grundkante (Abb. 7, rechtes Bild). Die SchrŠgkanten haben dann die Richtung der WŸrfeldiagonalen, lŠngs derer das Zusammenschieben wie in der Abbildung 4 kollisionsfrei mšglich ist. Das Zusammenschieben der fŸnf ZwšlffŸ§ler erfolgt dann durch simultanes Einpassen. Dazu sind fŸnf HŠnde erforderlich. Die Abbildung 8 zeigt das Ergebnis sowie eine grš§ere Version.

Abb. 8: Pyramiden aus ZwšlffŸ§lern

4   Exkurs: Vier Farben

Bei der raumfŸllenden pyramidalen Packung der Abbildung 8 kommen wir mit vier Farben aus, so dass nirgends zwei benachbarte gleichfarbige ZwšlffŸ§ler eine ebene oder gekrŸmmte SeitenflŠche gemeinsam haben. Hingegen kšnnen sehr wohl gleichfarbige ZwšlffŸ§ler eine Kante oder eine Ecke gemeinsam haben. Diese Vierfarbeneigenschaft ist nicht trivial, da der ebene Vierfarbensatz im Raum nicht gilt.  

Im Beispiel der Abbildung 8 ist die Pyramide aus horizontalen Schichten aufgebaut, welche alternierend ein rot-grŸnes oder ein blau-gelbes Schachbrettmuster bilden. Zudem sind zum Beispiel zwei aufeinanderfolgende rot-grŸne Schichten farbversetzt. Daher kšnnen sich nirgends zwei gleiche Farben berŸhren.

Die Vierfarbeneigenschaft gilt analog fŸr alle in diesem Beitrag vorkommenden Raumpackungen.

5   Ein kantiger Affensattel und ein Stern

Die Abbildung 9 zeigt eine WŸrfelhalbierung durch einen ãkantigenÒ Affensattel.

Abb. 9: Kantiger Affensattel

Die Konstruktion ist folgende. Wir kšnnen einen WŸrfel vom Mittelpunkt aus in sechs Pyramiden aufteilen, welche je eine SeitenflŠche des WŸrfels als GrundflŠche haben und die WŸrfelmitte als Spitze. In der Abbildung 9 sind drei der sechs Pyramiden so eingefŸgt, dass jede mit den beiden anderen je ein Seitendreieck gemeinsam hat. Die Figur hat eine dreiteilige Drehsymmetrie bezŸglich der blau eingezeichneten WŸrfeldiagonale. Der FlŠchenwinkel an den Kanten des Affensattels ist 120¡.

Durch Spiegeln erhalten wir einen Stern mit zwšlf Spitzen (Abb. 10). Er ist wiederum ein halber WŸrfel.  

Abb. 10: Stern

Dieser Stern ist ein RaumfŸller (Abb. 11). Das Zusammenschieben ist problemlos mšglich. Wir sehen wieder die Struktur mit den vier Farben.

Abb. 11: Sternpyramide

6   Ein Kreuz und das Komplement dazu

6.1  Das Kreuz

Die Abbildung 12 zeigt zunŠchst einen Affensattel mit rechtwinkligen Kanten. Durch Spiegeln erhalten wir ein 3d-Kreuz. Auch dieses Kreuz kann als halber WŸrfel gesehen werden.

Abb. 12: Halber WŸrfel und Kreuz

Das 3d-Kreuz ist ein RaumfŸller (Abb. 13). Das Zusammenschieben der einzelnen Kreuze ist problemlos mšglich.

    

Abb. 13: Pyramide aus Kreuzen

6.2  Komplement

Nun drehen wir den Sattel der Abbildung 12 um, so dass wir ihn von hinten sehen (Abb. 14). Durch Spiegeln erhalten wir eine Figur, welche das Kreuz der Abbildung 12 zum WŸrfel ergŠnzt.

Abb. 14: KomplementŠre Situation

Diese Figur ist ebenfalls ein RaumfŸller (Abb. 15). Sie fŸllt den Raum im Innern der Pyramide lŸckenlos und durchdringungsfrei aus. Allerdings sind die einzelnen Bauteile všllig verkettet. Es ist nicht mšglich, aus einzelnen losen Bauteilen die Pyramide zu bauen, ohne die Teile aufzurei§en. Die Teile passen zwar ineinander, lassen sich aber nicht einpassen.

Abb. 15: Passt. LŠsst sich aber nicht einpassen.

6.3  Exkurs: Eine Variante zum Menger-Schwamm

Die Figur der Abbildung 14 fŸhrt zu einer Variante des Menger-Schwamms. Die Abbildung 16 zeigt die ersten beiden Fraktalisierungsschritte.

          

Abb. 16: Variante zum Menger-Schwamm

Diese Variante hat im Unterschied zum originalen Mengerschwamm eine rationale fraktale Dimension, nŠmlich:

 

                                                 

 

 

 

7   Statisches Passen und kinematisches Einpassen

In der Abbildung 15 sahen wir den Unterschied zwischen dem statischen Passen und dem kinematischen Einpassen. Im Folgenden weitere Beispiele.

7.1  Puzzle

Das Puzzle der Abbildung 17 ist beinahe fertig. Das fehlende Element rechts oben kšnnen wir aber nicht in der Ebene des Puzzles einpassen. Wir mŸssen es abheben und von oben her einpassen. Wir benštigen den Raum.

Abb. 17: Noch die Ecke einpassen

Im Beispiel der Abbildung 18 passt das Eckteil zwar in die LŸcke, lŠsst sich aber nicht hineinschieben.

Abb. 18: Passt die Ecke in die LŸcke?

Im vierdimensionalen Raum lie§e sich das Problem sehr einfach lšsen. Wir kšnnten die dreidimensionale Ecke in die vierte Dimension abheben und dann hineinschieben.

7.2  Knacknuss ohne Nussknacker

Die Abbildung 19 zeigt drei NŸsse je in zwei Ansichten. Das erste Beispiel ist eine Ÿbliche Nuss mit einer zweiteiligen Drehsymmetrie. Im zweiten Beispiel haben wir eine dreiteilige und im dritten Beispiel gar eine vierteilige Drehsymmetrie. Um Herauszufinden, ob die Kerne ebenfalls entsprechende Drehsymmetrien aufweisen, mŸssten die NŸsse geknackt werden. Das wŠre aber schade um die seltenen NŸsse.

Abb. 19: NŸsse

Im vierdimensionalen Raum lie§e sich das Problem sehr einfach lšsen. Wir kšnnten den Kern einfach in die vierte Dimension herausheben. Die Abbildung 22 illustriert die Situation eine Dimension tiefer. Zweidimensionale Nusskerne erhalten wir durch Herausheben aus der zweidimensionalen Schale.

Abb. 20: Einbetten der 2d-Nuss in den Raum

8   Origami in der Ebene

Im Folgenden einige Beispiele fŸr Faltprozesse mit dem Ÿblichen zweidimensionalen Origami-Papier.

Die Abbildung 21 zeigt einen Origami-WŸrfel, der aus sechs Bauteilen besteht.

Abb. 21: Origami-WŸrfel. Bauteil

Die Abbildung 22 zeigt als einfachen Faltprozess, wie die Ecke links oben auf die Ecke rechts unten gefaltet wird. Wir nehmen an, das Papier sei auf einer Seite gelb und auf der anderen hellblau. Aus einem Quadrat erhalten wir ein zweilagiges halbes Quadrat.

Abb. 22: Ecke links oben auf die Ecke rechts unten

Ein weiterer einfacher Faltprozess besteht darin, sukzessive die Kantenmitten oder die Ecken in die Quadratmitte einzufalten (Abb. 23). In beiden FŠllen entsteht ein Quadrat.

Abb. 23: Einfalten in die Quadratmitte

Wir Ÿbertragen diese Faltprozesse auf ein virtuelles 3d-Origami.

9   RŠumliches Origami

Wie ist ein 3d-Origami zu verstehen? Dazu denken wir uns als Spielmaterial einen WŸrfel, den wir im vierdimensionalen Raum falten. Das Material fŸr diesen WŸrfel muss noch erfunden werden. In der Abbildung 24 wird die Ecke links oben auf die diametrale Ecke rechts unten gefaltet.

Abb. 24: 3d-Origami

NatŸrlich kann dieser Faltprozess auch rein dreidimensional beschrieben werden. Wir halbieren den WŸrfel mit der Mittelnormalebene einer Kšrperdiagonalen und spiegeln die eine HŠlfte auf die andere Seite.

9.1  Einfalten der Seitenmitten

Durch das Einfalten der SeitenflŠchenmitten auf den WŸrfelmittelpunkt erhalten wir nach sechs Schritten einen kleineren WŸrfel (Abb. 25). Er hat gegenŸber dem AusgangswŸrfel halbe KantenlŠnge und damit einen Achtel des Volumens. DafŸr hat er die achtfache Materialdichte. NatŸrlich ist dieser WŸrfel ein RaumfŸller.

Abb. 25: Einfalten der SeitenflŠchenmitten in den WŸrfelmittelpunkt

9.2  Einfalten der Kantenmitten

Beim Einfalten der Kantenmitten in den WŸrfelmittelpunkt benštigen wir insgesamt zwšlf Faltschritte. Nach den ersten vier Schritten ergibt sich ein Haus mit quadratischem Grundriss und einem Pyramidendach (Abb. 26).

Abb. 26: Einfalten der Kantenmitten in den WŸrfelmittelpunkt.

Nach weiteren vier Schritten erhalten wir wiederum ein GebŠude mit quadratischem Grundriss. Es hat ein Rhombendach (Abb. 27).

Abb. 27: Was geschieht zwischen dem zweiten und dem dritten Bild?

Solche RhombendŠcher wurden als Turmhelme bei romanischen und neoromanischen Kirchen gebaut (Abb. 28).

Abb. 28: Kirche Krefeld

Die letzten vier Faltschritte schlie§lich fŸhren zum Rhombendodekaeder (Abb. 29). Das Volumen des Rhombendodekaeders ist ein Viertel des ursprŸnglichen WŸrfelvolumens.

Abb. 29: Rhombendodekaeder

Das Rhombendodekaeder ist ebenfalls ein RaumfŸller. In der Abbildung 30 ist eine Kugel durch eine Rhombendodekaeder-Packung approximiert.

Abb. 30: Rhombendodekaeder approximieren eine Kugel

9.3  Einfalten der Ecken

Durch Einfalten der WŸrfelecken in die WŸrfelmitte ergibt sich ein abgestumpftes Oktaeder (Abb. 31). Sein Volumen ist die HŠlfte des WŸrfelvolumens. Der ãAffensattelÒ ist jetzt ein Hocker mit einem ebenen regelmŠ§igen Sechseck als SitzflŠche.

Abb. 31: Einfalten der Ecken in die WŸrfelmitte

Das abgestumpfte Oktaeder ist ebenfalls ein RaumfŸller (Abb. 32).

Abb. 32: Pyramide aus abgestumpften Oktaedern

 

Literatur

Walser, Hans (2018): Der WŸrfel. Ansichten – Dimensionen – Modelle. Edition am Gutenbergplatz, Leipzig 2018. ISBN 978-3-95922-102-3.