Hans Walser, [20111231] / [20120102]

Zykloidenapproximation
Anregung: R. W., F.

1        Abrollen eines regelmŠ§igen n-Ecks

Wir rollen ein regelmŠ§iges n-Eck mit Umkreisradius 1 auf einer Geraden ab und verfolgen den Weg eines partikulŠren Eckpunktes. Beim Dreieck setzt sich dieser Weg aus zwei Kreisbogen zusammen, welche die SeitenlŠnge des Dreieckes als Radius haben (Abb. 1).

 

Abb. 1: Abrollen des Dreiecks

 

Beim FŸnfeck haben wir vier Kreisbogen. Die Radien sind die Seiten- und DiagonalenlŠngen des FŸnfeckes

 

Abb. 2: Abrollen des FŸnfecks

 

Beim Siebeneck (Abb. 3) haben wir sechs Bšgen, deren Radien der Reihe nach die LŠngen der von einem Eckpunkt ausgehenden Seiten und Diagonalen sind (ãDiagonalenfŠcherÒ). Bei einem n-Eck haben wir entsprechend  Bšgen.

 

Abb. 3: Abrollen des Siebenecks

 

FŸr wachsendes n nŠhert sich die Bogenfigur der Zykloide an. Die Abbildung 4 zeigt die Situation fŸr .

 

Abb. 4: Approximation der Zykloiden

 

2        Farbige Dreiecke

Zwischen den Sektoren sehen wir  wei§e Dreiecke, die wir in der Abbildung 5 rot fŠrben. Zudem lassen wir die n-Ecke weg.

 

Abb. 5: Rote Dreiecke

 

Nun ersetzen wir auch noch die Kreissektoren durch je zwei gleichschenklige Dreiecke, eins gelb und das andere blau. Die Abbildung 6 illustriert den Fall . Der Kreisbogen wird also durch einen Polygonzug mit zwei Strecken ersetzt.

 

Abb. 6: Gelbe und blaue Dreiecke

 

Im folgenden lassen wir die Kreisbogen weg. Die Abbildung 7 illustriert die FŠlle  und . Wir sehen die Zykloide auch so. (Wir werden im Folgenden fast immer mit den Beispielen  und  illustrieren.)

 

    

Abb. 7: Drei Farben

 

Nun lassen wir die gelben und blauen Dreiecke mal weg und klappen die Ÿbrig bleibenden roten Dreiecke zusammen wie ein Taschenmesser. Es entsteht das ursprŸngliche n-Eck, unterteilt durch seine Diagonalen (Abb. 8).

 

    

Abb. 8: Ein- und Ausklappen

 

FŸr  entsteht der Einheitskreis.

Die gelben Dreiecke fŸr sich genommen lassen sich auf einen Startpunkt zusammenschieben (Abb. 9).

 

    

Abb. 9: Die gelben Dreiecke

 

FŸr  entsteht der Einheitskreis. Analoges gilt fŸr die blauen Dreiecke.

3        FlŠcheninhalt

Wenn wir die Dreiecke nach Farben sortieren (Ab. 10 fŸr ), erhalten wir fŸr  drei Einheitskreise.

 

Abb. 10: Drei Einheitskreise

 

Somit hat die FlŠche unter dem Zykloidenbogen den Inhalt , ein  pro Farbe.

4        BogenlŠnge

Nun entfernen wir die blauen Dreiecke und klappen die verbleibenden gelben und roten Dreiecke zusammen (Abb. 11).

 

      

Abb. 11: Halbkreis

 

Es entsteht ein prŠchtiger Halbkreis. Dieser besteht aus zwei Farben, hat also den FlŠcheninhalt . Sein Durchmesser ist daher 4. Nun ist dieser Durchmesser genau die halbe BogenlŠnge der Zykloide (es fehlen die blauen).

Somit hat der Zykloidenbogen die LŠnge 8. Dieses Resultat geht auf Christopher Wren (1658) zurŸck.

5        Die gelben Dreiecke allein

Nun entfernen wir im Halbkreis der Abbildung 11 die roten Dreiecke und klappen die gelben zusammen (Abb. 12). Die Scharniere sind jetzt an den oberen Ecken der gelben Dreiecke.

 

                                

Abb. 12: Neue Zykloide

 

Wir sehen verschiedenes. Die obere Kontur ist eine verkleinerte Ausgabe der ursprŸnglichen Zykloide. Die BogenlŠnge ist 4 (Durchmesser des Halbkreises der Abbildung 11). Somit ist die Zykloide lŠngenmŠ§ig halb so gro§ wie die ursprŸngliche Zykloide. Der FlŠcheninhalt oberhalb der Spannsehne ist ein Viertel des FlŠcheninhaltes unter dem ursprŸnglichen Zykloidenbogen, also . Die GesamtflŠche der Figur ist aber  (gelbe Farbe). Damit ist der FlŠcheninhalt unter der Wasserlinie , ein Viertel der GesamtflŠche. Weiter sehen wir, dass die Zykloide eine Evolvente ist von Kurven, die ihrerseits kongruente Zykloiden sind. Die Gesamtfigur hat daher den Umfang 8.

6        Gelbe und blaue Dreiecke

6.1      Scharniere oben

Wir klappen nun die gelben und blauen Dreiecke von oben her zusammen. Die Scharniere sind also an den oberen Ecken der Dreiecke (Abb. 13).

 

    

Abb. 13: Epizykloiden

 

Die obere Umrisskurve ist gleich lang wie die ursprŸngliche Zykloide, hat also die LŠnge 8. Sie ist Evolvente der unteren Umrisskurve. Die untere Umrisskurve hat also die LŠnge 4 (zwei Mal die FadenlŠnge 2).

Die Umrisskurven sind Epizykloiden, welche durch Abrollen eines halb so gro§en Kreises auf einem Grundkreis entstehen. Die obere Umrisskurve hat die Darstellung:

 

 

Die untere Umrisskurve har die Darstellung:

 

 

6.2      Fehlanzeige

Wir bŸndeln die gelben und blauen Dreiecke nun an den unteren Spitzen (Abb. 14 fŸr  und ).

 

     

Abb. 14: Was ist die Umrisskurve?

 

Der Autor vermutete zunŠchst, dass fŸr  die Kardioide (Herzkurve) entsteht. Das ist aber falsch. Die Abbildung 15 zeigt links ãunsereÒ Kurve (schwarz) und rechts zusŠtzlich die Kardioide (rot).

 

                                      

Abb. 15: Vergleich mit Kardioide

 

Der Unterschied besteht in folgendem:

Unsere Kurve hat die Parameterdarstellung:

 

 

Der FlŠcheninhalt ist  (zwei Farben).

Die Kardioide entsteht durch Abrollen eines Kreises auf einem anderen Kreis, wobei beide den gleichen Durchmesser a haben. In unserem Fall ist . Sie hat dann die Parameterdarstellung:

 

 

Das Quadrat mach den Unterschied. Der FlŠcheninhalt der Kardioide ist .

7        Doppelter Bausatz

Man kann ja auch unbescheiden sein, und zwei BausŠtze kombinieren. ZunŠchst setzen wir mit den roten Dreiecken des einen Satzes das regelmŠ§ige Vieleck zusammen. Anschlie§end setzen wir die roten Dreiecke des zweiten Satzes au§en an gemŠ§ Abbildung 16. Sie kšnnen sich selber einen Namen fŸr dieses Insekt ausdenken.

 

Abb. 16: Zwei rote BausŠtze

 

Nun haben wir gewaltige LŸcken. Aber die gelben und blauen Dreiecke der beiden SŠtze reichen zusammen gerade aus, diese LŸcken aufzufŸllen (Abb. 17).

 

Abb. 17: AuffŸllen der LŸcken

 

Wir erhalten nun wirklich eine Kardioide. Diese hat den Umfang 16 (gelb und blau je doppelt) und den FlŠcheninhalt  (drei Farben je doppelt). Die FlŠche ist vier Mal so gro§ wie oben angegeben, weil wir nun auf dem Einheitskreis mit Durchmesser 2 abrollen. 

8        Rote Dreiecke allein

8.1      Zickzack

Die roten Dreiecke entsprechen einer Zerlegung des regelmŠ§igen n-Ecks durch den DiagonalenfŠcher eines Eckpunkts (Abb. 8). Dieselben Dreiecke ergeben sich aber auch aus einer Zickzackzerlegung (Abb. 18). Wie viele Mšglichkeiten gibt es Ÿberhaupt, die roten Dreiecke zum regelmŠ§igen Vieleck zusammenzusetzen?

 

    

Abb. 18: Zickzack

 

Nun nehmen wir lediglich die Zicks (Spitze nach oben) und lassen die Zacks weg (Abb. 19). Das ist in etwa die halbe Miete.

 

                                            

Abb. 19: Nur Zicks

 

8.2      Tropfen

Wir denken uns nun die Zicks der Abbildung 19 an den unteren Ecken gelenkig verbunden und klappen zusammen wie ein Taschenmesser. Es entsteht eine tropfenfšrmige Figur (Abb. 20).

 

Abb. 20: Tropfen

 

Der untere Rand ist ein regelmŠ§iger Polygonzug, im Vergleich mit dem ursprŸnglichen n–Eck sind die RichtungsŠnderungen aber anderthalb Mal so gro§ ( statt ). Die ãKrŸmmungÒ ist also anderthalb Mal so gro§. FŸr  geht der Untere Rand also gegen einen Kreis mit dem Radius . Da der Umfang die HŠlfte des ursprŸnglichen Kreisumfanges ausmacht, haben wir somit als unteren Rand einen . Wie sich der Rand dann zur Spitze fortsetzt, wei§ ich nicht. Es ist kein Kreisbogen.

Mit den Zacks kšnnen wir einen Gegentropfen bauen (Abb. 21).

 

Abb. 21: Doppeltropfen

 

8.3      Kleeblatt

Nun fassen wir die Zicks oben an den Spitzen zusammen (Abb. 22).

 

                                                    

Abb. 22: Gesammelte Zicks

 

Das gibt eine recht bescheidene Sache. Daher bŸndeln wir auch noch die Zacks, legen  sie oben rechtwinklig an und verdoppeln die Figur mit einer Punktspiegelung (Abb. 23).

 

                       

Abb. 23: Zicks in der Vertikalen und Zacks in der Horizontalen

 

Wir erhalten ein Kreuz, das sich fŸr  als Kleeblatt darstellt (Abb. 24 fŸr ).

 

Abb. 24: Rotes Kleeblatt

 

Und zum Schluss nochmals eine Fehlanzeige: Die Randlinie, eine doppelte 8, ist keine Lemniskate. Die Abbildung 25 zeigt links die richtige Randlinie (schwarz) und rechts zusŠtzlich die Lemniskate (blau).

 

             

Abb. 25: Randkurve und Lemniskate

 

Die Lemniskate ist zu dick.

Die Randkurve hat die Parameterdarstellung:

 

 

Der FlŠcheninhalt ist insgesamt  (zwei Mal rot), pro Blatt also .

Die gezeichnete Lemniskate hat die Parameterdarstellung:

 

 

Die Wurzel macht den Unterschied. Pro Blatt hat die Lemniskate den FlŠcheninhalt 2.

9        Hands on Geometry

9.1      Modell

Im Anhang findet sich ein Bastelbogen fŸr  und  in zwei Grš§en. Dieser kann auf Karton aufgezogen und dann ausgeschnitten werden. Damit kšnnen wir spielen.

9.2      Virtuell

Mit DGS wird eine Vorlage konstruiert, die dann in ein Grafikprogramm Ÿbertragen wird. Dort wird die Bastelbogenfigur in die einzelnen Dreiecke aufgelšst, die dann virtuell auf dem Bildschirm bewegt werden kšnnen. Man braucht lediglich Translationen und (mehrfache) Drehungen um . FŸr viele Beispiele genŸgen Drehungen um . Da die Dreiecke paarweise spiegelbildlich sind, genŸgt ein ãhalberÒ Bogen. Wir benštigen dann aber noch Spiegelungen.

Ebenso kann mit CAS gearbeitet werden. Die benštigten Eckpunkte der Dreiecke kšnnen in vielen FŠllen (etwa Abb. 14. 23) in Polarkoordinaten einfach angegeben werden. Dann ist es auch einfach, daraus die Darstellung fŸr den Grenzfall  anzugeben. In anderen Beispielen (etwa Abb. 13, 20) mŸssen die Punkte rekursiv definiert werden. In diesen FŠllen kann nicht direkt eine Darstellung fŸr  gefunden werden.

9.3      Im Kopf

Der Umgang mit Modellen oder virtuellen Modellen fšrdert die FŠhigkeiten, sich die Figuren vorzustellen. Dann ist man unabhŠngig von der RealitŠt und vom Computer.

Hands on Geometry findet im Kopf statt.

9.4      Der Grenzfall

Der GrenzŸbergang  kann nur im Kopf vollzogen werden. Aus den diskreten Winkeln  wird schreibtechnisch ein , aus den in der Programmierung (CAS) vorkommenden Winkeln  wird dann einfach t. HŠufig haben wir den Fall  (da die Peripheriewinkel halb so gro§ sind wie die Zentriwinkel), woraus sich dann  ergibt.

Anhang: Bastelbogen

Bastelbogen fŸr  und ,  klein

Bastelbogen , linke Seite

Bastelbogen , rechte Seite

Bastelbogen , linke Seite

Bastelbogen , rechte Seite