Hans Walser, [20120729], [20131216]

Der Tante-Emma-Laden

1        Worum geht es?

In der Schule lernen wir, dass es  Mšglichkeiten gibt, aus einer FrŸchteschale mit n FrŸchten deren s auszuwŠhlen. Dabei wird stillschweigend angenommen, dass alle Mšglichkeiten gleichwertig sind. Dazu wird mit einem Urnenmodell gearbeitet, so dass blind ausgewŠhlt werden muss.

Im Alltag ist es allerdings so, dass die besten FrŸchte zuerst vernascht werden.

2        Drei Personen

2.1      Vollzeit-Stellen

Im Tante-Emma-Laden arbeiten neben der Tante Emma (E) auch noch die Tanten Frieda (F) und Gertrud (G). Es sind immer zwei der drei Personen im Laden, die dritte hat frei.

Somit gibt es  Mšglichkeiten, eine Schichtbelegung mit zwei Personen zu finden, nŠmlich EF, EG und FG.

Wenn alle drei Personen vollzeit arbeiten, sind die drei Schichtbelegungen gleichwertig. Jede der drei Schichtbelegungen hat somit das Gewicht .

2.2      Unterschiedliche Stellenprozente

Nun sind aber die Anstellungsbedingungen unterschiedlich.

2.2.1    Beispiel

Tante

Stellenprozente

Faktor

Emma

e = 100%

e = 1

Frieda

f = 100%

f = 1

Gertrud

g = 50%

g = 1/2

Etwas Zahlenakrobatik:

á            Wenn die drei Schichten EF, EG und FG alle gleiches Gewicht hŠtten, mŸsste Tante Gertrud gleich viel arbeiten wie die beiden anderen. Dies widerspricht ihren Anstellungsbedingungen.

á            Die nahe liegende Idee ist natŸrlich, dass wir die Schicht EF doppelt so oft einsetzen wie die Schichten EG und FG (Gewicht 2 : 1 : 1). Dann arbeiten die Tanten Emma und Frieda in je drei Schichten, wŠhrend die Tante Gertrud in zwei Schichten arbeitet. Sie arbeitet immer noch zu viel.

á            Nun setzen wir die Schicht EF dreimal so oft ein wie die Schichten EG und FG (Gewicht 3 : 1 : 1). Dann arbeiten die Tanten Emma und Frieda in je vier Schichten, wŠhrend die Tante Gertrud in zwei Schichten arbeitet. Dies entspricht den Anstellungsbedingungen.

Die drei Schichten haben also die Gewichte:

Schicht

Gewicht

Normiertes Gewicht

EF

3

EG

1

FG

1

Die Normierung bedeutet .

Die Frage ist, wie wir aus den gegebenen Daten e, f, g die Schichtgewichte x, y, z berechnen kšnnen.

2.2.2    Noch ein Beispiel

Nun arbeitet auch die Tante Frieda nur noch halbtags:

Tante

Stellenprozente

Faktor

Emma

e = 100%

e = 1

Frieda

f = 50%

f = 1/2

Gertrud

g = 50%

g = 1/2

Die geneigte Leserin ist eingeladen, sich die Sachlage durch den Kopf gehen zu lassen, bevor sie weiter liest.

Die Schicht FG kann gar nicht eingesetzt werden, weil sonst die Tante Emma in einen unaufholbaren RŸckstand geraten wŸrde. Die Tante Emma kann daher nie aus dem Laden.

Es sind also nur die Schichten EF und EG mit je gleichem Gewicht mšglich:

Schicht

Gewicht

Normiertes Gewicht

EF

1

EG

1

FG

0

2.2.3    Etwas Mathematik

Die Frage ist, wie wir aus den gegebenen Anstellungsdaten e, f, g die Schichtgewichte x, y, z berechnen kšnnen.

In der Schicht EF (Gewicht x) Arbeiten die Tanten Emma und Frieda, in der Schicht EG (Gewicht y) die Tanten Emma und Gertrund und in der Schicht FG (Gewicht z) die Tanten Frieda und Gertrud.

FŸr die Arbeitszeit der Tante Emma sind also x und y relevant, fŸr die Tante Frieda x und z und fŸr die Tante Gertrud y und z. Damit die Arbeitszeiten in der richtigen Relation stehen, muss gelten:

Mit einem ProportionalitŠtsfaktor  kšnnen wir das in folgender Form schreiben:

Jetzt haben wir ein lineares Gleichungssystem mit drei Gleichungen und den vier Unbekannten . Die Normierung  liefert uns die noch benštigte vierte Gleichung.

Der Rest ist Rechnen.

2.2.4    Beispiele

In den Resultaten wird jeweils auch die technische Grš§e  angegeben.

Erstes Beispiel (unser EinfŸhrungsbeispiel):

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 1/2 

  Schichtgewichte:  

     x = 3/5, y = 1/5, z = 1/5, lambda = 4/5

Zweites Beispiel (das zum Nachdenken, der Computer rechnet einfach):

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1/2, g = 1/2 

  Schichtgewichte:  

     x = 1/2, y = 1/2, z = 0, lambda = 1

Und noch ein drittes Beispiel (mit drei unterschiedlichen Anstellungsgraden):

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 3/4, g = 1/2 

  Schichtgewichte:  

     x = 5/9, y = 1/3, z = 1/9, lambda = 8/9

Lauter Vollzeitstellen (die Gewichtung muss symmetrisch werden):

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 1 

  Schichtgewichte:  

     x = 1/3, y = 1/3, z = 1/3, lambda = 2/3

Interessant ist das folgende Beispiel:

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1/2, g = 1/4 

  Schichtgewichte:  

     x = 5/7, y = 3/7, z = —1/7, lambda = 8/7

2.3      Die Sache mit dem RasenmŠher

Der Tante-Emma-Laden Ÿbernimmt nun auch RasenmŠher ins Sortiment. Zur Beratung der Kunden muss das Personal entsprechend ausgebildet werden.

Man mšchte einerseits mšglichst eine ausgebildete Person in jeder Schicht haben und andererseits mšglichst wenige Personen ausbilden.

á            Wenn wir zwei der drei Tanten ausbilden, ist in jeder Schicht eine ausgebildete Person.

á            Wenn wir nur eine Person ausbilden, ist es optimal, eine Person mit dem hšchsten Anstellungsgrad auszubilden. Wenn das zum Beispiel die Tante Emma selber ist, erhalten wir fŸr die Wahrscheinlichkeit, dass eine ausgebildete Person (eben die Tante Emma) im Laden ist:

Das Restrisiko, dass keine ausgebildete Person im Laden ist, betrŠgt demnach:

Beispiel:

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 3/4, g = 1/2 

  Schichtgewichte:  

     x = 5/9, y = 1/3, z = 1/9, lambda = 8/9

  Restrisiko = 1/9 = 0.1111

3        Vier Personen

Nun kommt noch der Onkel Hans (H) mit dem Arbeitsgrad h dazu.

3.1      Schichtgrš§e 2

Die Schichtgrš§e soll bei 2 bleiben. Es gibt  verschiedene Schichten.

Schicht

Normiertes Gewicht

EF

EG

EH

FG

FH

GH

Wir haben die Bedingung:

 

 

Umgeschrieben und mit der Normierungsbedingung ergŠnzt:

 

 

 

 

Das sind fŸnf Gleichungen fŸr die sieben Unbekannten .

3.1.1    Unterbestimmtes System

Wenn wir naiv in den Computer gehen, erhalten wir zum Beispiel:

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 3/4, h = 1/2  

  Schichtgewichte:  

     x1 = 3/13+x6, x2 = 1/13+x5, x3 = 4/13-x5-x6,

     x4 = 5/13-x5-x6, x5 = x5, x6 = x6, lambda = 8/13

Die Angaben  und  sind zwar absolut richtig, aber nicht informativ.

Das Gleichungssystem ist unterbestimmt, wir kšnnen zwei der sieben Unbekannten selber wŠhlen. Die Schichtgewichtung ist also durch die Anstellungsgrade nicht festgelegt.

3.1.2    Beispiele

Wir wŠhlen zum Beispiel  und  und erhalten:

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 3/4, h = 1/2  

  Schichtgewichte:  

     x1 = 49/156, x2 = 25/156, x3 = 11/78,

     x4 = 17/78, x5 = 1/12, x6 = 1/12, lambda = 8/13

Mit  und  erhalten wir bei denselben Anstellungsgraden:

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 3/4, h = 1/2  

  Schichtgewichte:  

     x1 = 43/130, x2 = 21/104, x3 = 43/520,

     x4 = 83/520, x5 = 1/8, x6 = 1/10, lambda = 8/13

 

Was ergibt sich bei lauter Vollzeitstellen?

Wenn wir  und  wŠhlen, ergibt sich:

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 1, h = 1  

  Schichtgewichte:  

     x1 = 1/12, x2 = 1/12, x3 = 1/3,

     x4 = 1/3, x5 = 1/12, x6 = 1/12, lambda = 1/2

Trotz gleichmŠ§iger Anstellungsgrade passt auch eine asymmetrische Schichtgewichtung.

Wenn wir  und  wŠhlen, ergibt sich die erwartete symmetrische Verteilung:

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 1, h = 1  

  Schichtgewichte:  

     x1 = 1/6, x2 = 1/6, x3 = 1/6,

     x4 = 1/6, x5 = 1/6, x6 = 1/6, lambda = 1/2

3.1.3    Wahrung des sozialen Friedens

Nehmen wir einmal an, die Tante Emma und Onkel Hans vertragen sich nicht so gut, und ebenso sind sich die Tante Gertrud und Onkel Hans nicht besonders grŸn. Das betrifft also die Schichten EH beziehungsweise GH mit den Gewichten  und . Nun kšnnen wir  und  wŠhlen und erhalten eine sozial vertrŠgliche Schichtverteilung:

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 3/4, h = 1/2  

  Schichtgewichte:  

     x1 = 3/13, x2 = 5/13, x3 = 0,

     x4 = 1/13, x5 = 4/13, x6 = 0, lambda = 8/13

3.1.4    RasenmŠher und Restrisiko

á            Wenn drei Personen ausgebildet sind, gibt es nur eine unausgebildete Person. Damit hat es in jeder Schicht mindestens eine ausgebildete Person.

á            Werden genau die beiden Tanten Emma und Frieda ausgebildet, ist das Restrisiko, dass keine ausgebildete Person im Laden ist, . Wie wir gesehen haben, kšnnen wir aber die Sache so steuern, dass . Das Restrisiko kann also durch organisatorische Ma§nahmen zu null gemacht werden, ohne dass die Anstellungsgrade verletzt werden.

á            Wird nur die Tante Emma am RasenmŠher ausgebildet, ist das Restrisiko . Dies kann nicht zu Null gemacht werden.

3.2      Schichtgrš§e 3

Bei Schichtgrš§e 3 gibt es  verschiedene Schichten: 

Schicht

Normiertes Gewicht

EFG

EFH

EGH

FGH

Wir haben die Bedingung:

 

 

Also:

 

 

 

 

Das sind fŸnf Gleichungen fŸr die fŸnf Unbekannten . Damit ist das Gleichungssystem eindeutig bestimmt.

3.2.1    Beispiel

  Anstellungsgrade: 

     e = 1, f = 1, g = 3/4, h = 1/2  

  Schichtgewichte:  

     x1 = 7/13, x2 = 4/13, x3 = 1/13, x4 = 1/13,

     lambda = 12/13

RasenmŠher und Restrisiko:

á            Werden zwei Personen ausgebildet, gibt es in jeder Schicht mindestens eine ausgebildete Person.

á            Wir zum Beispiel nur die Tante Emma ausgebildet, ist das Restrisiko .

4        Allgemein

4.1      Bedingungen und FreirŠume

Der Laden habe n Angestellte mit unterschiedlichen Anstellungsgraden und eine Schichtgrš§e s.

Es gibt einerseits  Schichtkombinationen und daher ebenso viele Gewichtungsvariable . Zusammen mit  haben wir  Variable.

Andererseits mŸssen n Anstellungsgrade sowie die Normierungsbedingung erfŸllt sein, wir haben also  Gleichungen.

Das entstehende lineare Gleichungssystem ist fŸr  und  eindeutig bestimmt, fŸr  unterbestimmt. Wir kšnnen in diesem Fall  Variable selber wŠhlen. Damit haben wir im Hinblick auf das RasenmŠher-Problem viele Steuerungsmšglichkeiten.

4.2      Ein gro§er Laden

Ein Laden habe 44 Angestellte und die Schichtgrš§e 6.

Es ist:

Somit haben wir 45 Gleichungen mit 7059053 Unbekannten. Und wir haben 7059008 freie Variable.

5        Zusammenfassung

Das kombinatorische Urnenmodell setzt gleiche Anstellungsgrade voraus und liefert die gleichmŠ§ige Lšsung. Es gibt fŸr unser Problem aber noch andere Lšsungen.

Wir haben viele freie Parameter, die auch im Fall von ungleichen Anstellungsbedingungen anwendbar sind.

Die Gleichungssysteme sind linear, aber mit gro§en Datenmengen.

Das RasenmŠher-Problem kann optimiert werden. Dazu sind Methoden der linearen Optimierung zu verwenden. GrundsŠtzlich mŸssen Angestellte mit hohem Anstellungsgrad prioritŠr ausgebildet werden.