Hans Walser, [20080103b]

Rekursiv definierte Parabeln

Anregung: Archimedes. [Netz/Noel 2007]

1        Worum es geht

Es werden rekursiv Punkte definiert, welche auf Parabeln liegen.

2        Unterteilen eines Intervalls

Wir unterteilen das Einheitsintervall fortlaufend durch Halbieren.

Fortlaufendes Unterteilen

Das kann mit den Startwerten  und  mit folgender Rekursion geschehen:

Dabei sind  und  das Ab- beziehungsweise Aufrundungssymbol. In MuPAD sieht das so aus:

x[0,0]:=0: x[0,1]:=1:

 

for i from 1 to n do

 for k from 0 to 2^i do

  x[i,k]:=1/2*(x[i-1,floor(k/2)]+x[i-1,ceil(k/2)]):

 end_for:

end_for:

FŸr gerade k-Indizes ist  und daher:

FŸr  gilt folgende explizite Formel:

Dies ist eigentlich klar aus dem fortlaufenden Halbieren, kann aber auch induktiv aus der Rekursionsformel bewiesen werden:

(I)            FŸr  stimmt die explizite Formel mit den Startwerten Ÿberein.

(II)          Induktionsvoraussetzung: . In die Rekursionsformel eingesetzt, ergibt dies

3        Rekursiv definierte y-Werte

In analoger Weise definieren wir nun y-Werte. Wir beginnen mit den Startwerten  und  und legen ein ãStichma§Ò  fest. Auf die geometrische Bedeutung dieses ãStichma§esÒ kommen wir spŠter zurŸck. Dann arbeiten wir mit der Rekursion:

Wir haben also gegenŸber der Rekursion bei den x-Werten einen Zusatzterm

,

der jeweils nur bei den ungeraden k-Indizes eine Rolle spielt. FŸr gerade k-Indizes ist:

Der Zusatzterm enthŠlt das Stichma§ s als Faktor und nimmt mit wachsendem i ab. In MuPAD:

y[0,0]:=0: y[0,1]:=1:

 

for i from 1 to n do

 for k from 0 to 2^i do

  y[i,k]:=1/2*(y[i-1,floor(k/2)]+y[i-1,ceil(k/2)])

   +(k mod 2)*s*(1/4)^(i-1):

 end_for:

end_for:

4        Die Parabel

Die folgende Figur lŠsst vermuten, dass die Punkte  auf der grŸn eingezeichneten Parabel  liegen, dass also gilt:

Parabel

Das kann induktiv bezŸglich i bewiesen werden. Im Beweis arbeiten wir fŸr  mit der expliziten Formel .Wegen  ist fŸr :

(I)            FŸr  stimmt die Vermutung auf Grund der Startwerte.

(II)          Induktionsvoraussetzung: .

Fallunterscheidung:

a)     k gerade

In diesem Fall ist  und:

b)    k ungerade

Es ist  und:

                       Nebenrechnung:

                       Somit ergibt sich:

Damit ist die Vermutung bewiesen.

5        Das Stichma§

Der Ausdruck kommt aus der BauhŸtte. In unserem Kontext verstehen wir das Stichma§ gemŠ§ Figur.

Stichma§

Wir denken uns eine Sehne AB mit deren Mittelpunkt M. Senkrecht unter oder Ÿber M befindet sich der Kurvenpunkt C. Der Abstand von M nach C ist des Stichma§. Dieses ist positiv, wenn C oberhalb von M liegt.

Das Stichma§ ist die grš§te senkrechte Abweichung der Kurve von der Sehne. Das Stichma§ ist eine Art KrŸmmungsparameter.

FŸr die Standardparabel  mit  und  ist das Stichma§ .

6        Die a,b,c-Parabel

FŸr die Parabel in der ãSchulformÒ  kšnnen wir mit den Startwerten  und  sowie dem Stichma§  arbeiten. Die folgende Figur illustriert den Fall .

Parabel

7        Zwei Parabelpunkte und Stichma§

FŸr die Parabelpunkte  und   sowie das Stichma§ s kšnnen wir mit den Startwerten  und  sowie  und  arbeiten. Die folgende Figur illustriert den Fall ,  und .

Zwei Parabelpunkte und Stichma§

8        Stichma§ und FlŠche

Wir zeichnen in den Parabelbogen das durch die beiden Endpunkte und das Stichma§ definierte Dreieck ein.

Dreieck

Der FlŠcheninhalt dieses Dreieckes  ist gegeben durch die horizontale Ausdehnung  sowie das Stichma§ s, nŠmlich:

Nun zeichnen wir zwei weitere Dreiecke  und  ein:

Zwei weitere Dreiecke

Die grš§te Ausdehnung dieser beiden Dreiecke in der senkrechten Richtung ist noch ein Viertel des Stichma§es. Dies geht aus der Rekursionsformel fŸr  hervor. Die gesamte horizontale Ausdehnung Šndert sich nicht. Die GesamtflŠche dieser beiden Dreiecke ist also:

Wir haben fŸr diese beiden Dreiecke gesamthaft nur noch einen Viertel der FlŠche des ersten Dreieckes.

Im nŠchsten Schritt erhalten wir vier zusŠtzliche Dreiecke.

Vier zusŠtzliche Dreiecke

Sie haben gesamthaft den FlŠcheninhalt:

In der folgenden Figur sind noch einige weitere Generationen von Dreiecken eingezeichnet. Wir sehen, dass die Dreiecke das Parabelsegment von innen ausschšpfen. Die eigentlich ãeckigeÒ Randlinie ist von einer glatten Kurve optisch nicht unterscheidbar.

Ausschšpfung des Parabelsegmentes

Die FlŠchen aller dieser Dreiecke bilden insgesamt eine geometrische Reihe:

Die von innen ausgeschšpfte FlŠche des Parabelsegmentes misst also vier Drittel der FlŠche des ersten Dreieckes.

9        Kubische Parabel

Durch eine leichte Modifikation (rot) der Rekursionsformel fŸr   erhalten wir die kubische Standardparabel:

Der Faktor k im Zusatzterm macht diesen asymmetrisch und unsympathisch. Er verunmšglicht eine einfache FlŠchenberechnung nach obigem Muster.

Das folgende Bild bezieht sich auf Die Startwerte  und  sowie  und  und das ãStichma§Ò .

Kubische Parabel

Rekursiv kann gezeigt werden, dass in dieser Situation gilt: .

 

Literatur

[Netz/Noel 2007]        Netz, Reviel und Noel, William: Der Kodex des Archimedes. Das berŸhmteste Palimpsest der Welt wird entschlŸsselt. Aus dem Englischen von Thomas Filk. 2. Auflage. MŸnchen: Verlag C. H. Beck 2007. ISBN 978 3 406 56336 2