Hans Walser, [20100228a]
Radlinien als Enveloppen
Anregung: J. W., B.-M.
Wir wŠhlen eine Modulzahl und zeichnen auf dem Einheitskreis m Punkte in regelmŠ§igen AbstŠnden. Diese Punkte nummerieren wir von . Die Abbildung zeigt die Situation fŸr .
Neun Punkte auf dem Einheitskreis
Mit haben die Punkte die Koordinaten . In der Gau§schen Ebene der komplexen Zahlen kšnnen wir die Form verwenden.
Wir wŠhlen nun einen Faktor und zeichnen die Sehne vom Punkt mit der Nummer n zum Punkt mit der Nummer , also die Sehne . In komplexer Schreibweise ist ; da in t die Periode hat, wird das Rechnen mit dem Modul m automatisch erledigt.
Die folgenden Abbildungen zeigen links zum Modul der Reihe nach die Situationen fŸr . Rechts ist die Sehne ersetzt durch den Vektor von nach . Wir sehen, welcher Punkt wohin zielt.
f = 2
Der Punkt erscheint isoliert, weil er auf sich selber zielt. Zwischen den Punkten und haben wir einen Doppelpfeil, da nach zielt und umgekehrt.
f = 3
erscheint als schwarzes Loch, in das nur Pfeile einmŸnden.
f = 4
, und zielen je auf sich selber, erscheinen daher isoliert. Im †brigen haben wir zwei gleichseitige Dreiecke, das eine positiv orientiert und das andere negativ.
f = 5
Im Vergleich zu laufen die Pfeile in der Gegenrichtung.
f = 6
f = 7
Im Vergleich zu laufen die Pfeile in der Gegenrichtung.
f = 8
f = 9
erscheint als schwarzes Loch, in das nur Pfeile einmŸnden.
SŠmtliche Figuren haben eine horizontale Symmetrieachse.
Soweit so gut. Nun versuchen wir es einmal mit . FŸr ergibt sich:
m = 144, f = 2
Aus PlatzgrŸnden ist nur jeder zweite Punkt nummeriert, und es sind nur die Nummern angegeben. Wir sehen eine Kurve, welche an die Kardioide (Herzkurve) erinnert. Wir werden spŠter sehen, dass die Enveloppe der Sehnen tatsŠchlich die Kardioide ist.
Mit ergibt sich eine Kurve mit zwei Spitzen nach innen.
f = 3
Bei ergeben sich drei Spitzen nach innen.
f = 4
Wir vermuten, dass wir jeweils Spitzen nach innen erhalten.
TatsŠchlich ist nur f fŸr das Aussehen der Kurve relevant. FŸr und immer noch sieht das einfach ein bisschen dŸnner aus, ist aber immer noch dieselbe Kurve.
Anderes m, gleiches f
Eine Radlinien entsteht, indem wir ein Rad auf einer Unterlage abrollen lassen und die Bahnkurve eines Punktes auf der Peripherie des Rades verfolgen. Das einfachste Beispiel ist die Zykloide; diese entsteht durch Abrollen auf einer Geraden. Wird ein Rad auf einem Kreis mit gleichem Radius abgerollt, entsteht die Kardioide. Hat das Rad halb so gro§en Radius wie der Kreis, ergibt sich eine Radlinie mit zwei Spitzen nach innen. Ist der Radradius des Kreisradius, ergeben sich k Spitzen nach innen. Die folgende Abbildung zeigt die Radlinie fŸr , also mit 3 Spitzen. Der als Unterlage dienende Kreis ist magenta, die Radlinie blau gezeichnet. Das Rad dreht bei einem Umlauf nicht etwa drei Mal, sondern vier Mal, weil es auch noch die GesamtkrŸmmung des magenta Unterlage-Kreises bewŠltigen muss.
Radlinie
Wir bezeichnen im Folgenden mit den Radius des Unterlage-Kreises und mit den Radradius. Die Radlinie kann als †berlagerung zweier Kreisbewegungen gesehen werden: Die Radnabe bewegt sich auf einem Kreis mit Radius . Dazu kommt die Radbewegung selber. Bei einer Radlinie mit Spitzen muss sich dass Rad f Mal drehen pro Umlauf. Damit kann die Radlinie in der Gau§schen Zahlenebene parametrisiert werden:
Zur Berechnung der Radien und Ÿberlegen wir wie folgt: ZunŠchst ist:
Da in unserem Kontext die Figur in den Einheitskreis passen muss, haben wir:
Aus diesen beiden Gleichungen ergibt sich:
FŸr die Parametrisierung der Radlinie erhalten wir daraus:
Die folgende Abbildung zeigt im Fall , sowohl die Sehnen wie auch die Radlinie.
Sehnen und Radlinie
Offensichtlich ist die Radlinie die Enveloppe der Sehnen. Die Punkte 0, 36, 72 und 108 sind isoliert, von ihnen geht keine Sehne aus, weil die Punkte je mit sich selber verbunden sind. Diese Punkte sind aber auch die Šu§ersten Punkte der Radlinie. Der Punkt 18 ist mit dem Punkt 90 durch einen Durchmesser verbunden und umgekehrt. Dasselbe gilt auch fŸr die Punkte 54 und 124. Auf diesen Durchmessern liegen die Spitzen der Radlinie.
Zur Vorbereitung des Beweises zeichnen wir im Beispiel , zusŠtzlich die Punkte ein. Das sind diejenigen Punkte auf der Radlinie (in unserem Beispiel auf der Kardioide), welche zu den Parameterwerten gehšren.
Kissing Points
Die Figur fŸhrt zu folgenden Vermutungen: Die Sehnen sind tangential an die Radlinie. Die Punkte liegen auf der Sehne mit den Endpunkten und und sind die BerŸhrpunkte.
FŸr den Beweis benštigen wir den Tangentialvektor der Radlinie, in komplexer Schreibweise:
Die Behauptung ist nun folgende: FŸr ist die Gerade durch und Tangente an die Radlinie mit BerŸhrpunkt .
Beweis in zwei Schritten:
1) liegt auf der Geraden durch und .
2) ist parallel zur Geraden durch und .
Zu zeigen ist:
Also:
Es ist . Der BerŸhrpunkt teilt die Sehne immer im gleichen VerhŠltnis.
Zu zeigen ist:
Also:
Erweitern mit liefert:
a) FŸr wird der Sinus im Nenner null, existiert nicht oder ist, intuitiv gesprochen, ãunendlichÒ. Aus folgt: , aus PeriodizitŠtsgrŸnden ist nur relevant. Weiter ist:
Wir haben es also mit Kreispunkten zu tun, die auf sich selber abgebildet werden. Die Sehne mit den Endpunkten und degeneriert zu einem Punkt und hat keine Richtung. Die Abbildung zeigt den Fall . Die kritischen Punkte (hellblau) sind die extremen Punkte der Radlinie.
Extreme Punkte
b) FŸr werden der Kosinus im ZŠhler und damit null. Wir erhalten:
Die Sehne mit den Endpunkten und ist ein Durchmesser. Die Abbildung zeigt den Fall . Die kritischen Punkte sind die Spitzen der Radlinie. Hier verschwindet der Tangentialvektor.
Spitzen
Die Enveloppe ist nicht immer sichtbar. Die Tangentialeigenschaft gilt aber trotzdem. Dazu zwei Beispiele.
FŸr , ergibt sich:
m = 9, f = 8
FŸr , erhalten wir:
m = 9, f = 9
Wir haben gesehen, dass der Modul m fŸr das Aussehen der Radlinie irrelevant ist, auch im Beweis kam m nirgends vor. Wir verzichten daher auf die m gleichmŠ§ig verteilten Startpunkte und machen folgendes. Wir beginnen mit einem beliebigen von null verschiedenen Winkel und definieren auf dem Einheitskreis die Punkte . Dann zeichnen wir den Polygonzug . Physikalisch kann man sich einen reflektierenden Kreis (runder Billard-Tisch) vorstellen, der so reflektiert, dass der Abgangswinkel das f-fache des Auftreffwinkels modulo ¹ ist.
FŸr (irrational zu ¹, wir kommen nie mehr zurŸck) und sieht der Start so aus:
Start
Bei 500 Strecken des Polygonzuges ist die Radlinie sichtbar. Die Figur als Ganzes ist aber unregelmŠ§ig.
Radlinie