Hans Walser
Die geheime Ordnung in der totalen Unordnung
Zusammenfassung
In 3x3-Quadraten und 4x4-Quadraten konstruieren wir mit Farb- und Formkombinationen verschiedene Auslegeordnungen mit unterschiedlich hoher Ordnungsstruktur. Dabei sto§en wir auch auf unerwartete Ordnungsstrukturen.
Unter Verwendung zweistelliger Codierungen und dem Einsatz von Positions-Zahlensystemen mit angepasster Basis erhalten wir so genannte ãHexenhŠuschenÒ. Mit geeigneten Vertauschungen kšnnen wir diese in magische Quadrate umbauen.
Der Hintergrund ist ein berŸhmtes Anordnungsproblem am Hofe der russischen Zarin Katharina der Gro§en, ein Problem das auch der berŸhmte Mathematiker Leonhard Euler aus Basel nicht vollstŠndig lšsen konnte. Es brauchte Ÿber 150 Jahre, bis das Problem vollstŠndig verstanden wurde.
Last modified: 19. Dezember 2018
Wir haben drei Farben (rot, grŸn, blau) und drei Formen (Kreis, Dreieck, Quadrat). Ein ordentlicher Mensch stellt das so dar:
Ordnung
Nun versuchen wir es mit maximaler Unordnung. Das hei§t wohl: In jeder Zeile und in jeder Spalte jede Farbe und jede Form. Versuchen SieÕs. Beispiel:
Maximale Unordnung
Auweia: Jetzt sehen wir in der einen Diagonalen rot und in der anderen dreieckig.
Wenn wir die Quadrate repetitiv aneinander setzen, wird es noch schšner:
Wiederholung
In der einen SchrŠgrichtung sehen wir gleiche Farben, in der anderen gleiche Formen. Eine fast beŠngstigende Ordnung.
Wir kšnnen mit einer Liste codieren.
Codierung
Damit ergibt sich aus der unordentlichen Darstellung:
Codierung
Wir erhalten in jeder Zeile und in jeder Spalte die gleiche Summe, nŠmlich 15. Warum ist das so? Wir werden dies mit einer Idee von Euler einsehen.
Allerdings stimmen die Diagonalen nicht. Wir haben kein magisches Quadrat. Wir kšnnen dies aber justieren, indem wir die ersten beiden Spalten vertauschen.
Beim Vertauschen zweier Spalten (oder zweier Zeilen) Šndern sich weder die Zeilensummen noch die Spaltensummen. Warum ist das so?
Vertauschen von Spalten
Im Mathematikum in Gie§en gibt es eine erweiterte Version unseres Spiels. Links die ordentliche, rechts eine unordentliche Situation.
Erweiterung des Spiels
In einem Parkett aus der unordentlichen Situation erkennen wir Strukturen. Einerseits haben wir Diagonalen mit gleichen Formfiguren.
Diagonalen mit gleichen Formen
Die Figuren mit gleichen Farben, zum Beispiel rot, bilden ein Raster mit Quadraten und Rhomben. Analog mit den andren drei Farben.
Rote Quadrate
Wir codieren im unordentlichen Quadrat mit folgender Liste:
Codierliste
Codierung
Wir erhalten wiederum Quadrate mit konstanten Zeilen- und Spaltensummen. Und wiederum stimmen die Diagonalen nicht.
Mit einer zyklischen Vertauschung von drei Spalten kšnnen wir das regeln.
Zyklische Vertauschung von drei Spalten. Magisches Quadrat
Die Zeilen-, Spalten- und Diagonalensumme 34 finden wir auch an anderen Orten.
Summe 34
Summe 34. Gibt es weitere Beispiele?
Mit einer zweistelligen Codierung erhalten wir Einsicht in die Invarianz der Zeilen- und Spaltensummen.
Wir codieren unser Einstiegsbeispiel zweistellig nach den Kriterien Farbe und Form.
Zweistellige Codierung
Das blaue Quadrat erhŠlt somit den Code (blau / Quadrat) = 21. Wir codieren entsprechend das ganze unordentliche Quadrat:
Zweistellig codiert
Wenn wir die Codierung als Dezimalzahlen interpretieren, haben wir in jeder Zeile und in jeder Spalte die Summe 33. Wir haben in jeder Zeile und in jeder Spalte jeden Einer aus {0, 1, 2} und jeden Zehner aus {00, 10, 20} genau einmal.
Nun codieren wir nochmals um: Wir fassen die ãZehnerÒ als ãDreierÒ auf. Statt
interpretieren wir:
Klartext: Wir interpretieren die Zahlen im Positionssystem zur Basis drei und rechnen ins Dezimalsystem um. Es ergibt sich der SchlŸssel:
UmrechnungsschlŸssel
Damit erhalten wir:
†bersetzung ins Dezimalsystem
Wir haben nun in jeder Zeile und in jeder Spalte jeden ãEinerÒ und jeden ãDreierÒ genau einmal.
Und nun addieren wir noch 1, damit wir wie Ÿblich die Zahlen von 1 bis 9 erhalten.
Addition von 1
Jetzt haben wir eine ãHexenhŠuschenÒ (Ausdruck einer SchŸlerin): Zahlen von 1 bis 9; in jeder Spalte und in jeder Zeile gibt es die Summe 15.
HexenhŠuschen
Mit irgend einem maximal unordentlichen Quadrat ergibt das zweitstellige Codierungsverfahren ein HexenhŠuschen.
HexenhŠuschen sind keine ãmagischen QuadrateÒ; in den Diagonalen stimmt es in der Regel nicht mit der Summe.
Wir arbeiten mit quadratischen 3×3-Zahlenschemas (Matrizen), deren Zeilen- und Spaltensummen jeweils konstant sind. Die Zahlen mŸssen nicht mehr aufenander folgend von 1 bis 9 laufen. Sie kšnnen auch negativ oder sogar reell sein.
Addition
Subtraktion
Summe und Differenz zweier HexenhŠuschen ist wieder ein Hexenhaus. Die Zeilen- und Spaltensummen sind ebenfalls Summe beziehungsweise Differenz.
Nachweis trivial.
Skalare Multiplikation
Multiplizieren eines HexenhŠuschens gibt wieder ein Hexenhaus. Die Zeilen- und Spaltensummen werden entsprechend multipliziert. Nachweis trivial.
Die HexenhŠuschen bilden einen Vektorraum.
Matrixprodukt
Das Matrixprodukt zweier HexenhŠuschen ist wieder ein HexenhŠuschen. Nachweis eine umfangreiche Rechnerei mit Summen. Zeilen- und Spaltensummen sind zu multiplizieren.
Es wird berichtet, dass Leonhard Euler, der ab 1766 wieder in St. Petersburg lebte und arbeitete, von der Zarin Katharina der Gro§en folgende Aufgabe erhielt.
Zum Divisionsball ordnet jedes der sechs anwesenden Regimenter fŸr jeden der sechs Dienstgrade je einen Offizier ab: Diese sechsunddrei§ig Offiziere sollen zur Feier des Tages so im Quadrat aufgestellt werden, dass in jeder Zeile und jeder Spalte genau ein Offizier eines jeden Regiments und eines jeden Dienstgrades steht.
Die Abbildung zeigt schematisch die ordentliche Version.
Ordentliche Version
Wir haben ebenfalls zwei Kriterien, Regiment und Dienstgrad, und zu jedem Kriterium sechs FŠlle. Das Problem erwies sich als sehr schwierig.
Auch Euler fand keine Lšsung fŸr die maximal unordentliche Situation.
Er versuchte es mit Quadraten anderer Grš§en, wo er Lšsungen fand.
Euler verwendete fŸr die beiden Kriterien mit lateinischen und griechischen Buchstaben. FŸr ein 5×5-Quadrat sieht das dann so aus:
Griechisch-lateinisches Quadrat. Codierung
Die griechischen Buchstaben sind senkrecht alphabetisch angeordnet, aber in jeder Spalte gegenŸber der vorhergehenden um 2 versetzt. In jeder Zeile und jeder Spalte kommt jeder griechische Buchstabe genau einmal vor.
Die lateinischen Buchstaben sind in den Zeilen mit jeweils einem Versatz von 1 alphabetisch angeordnet. In jeder Zeile und jeder Spalte kommt jeder lateinische Buchstabe genau einmal vor.
Jede der 25 mšglichen Kombinationen eines griechischen Buchstabens mit einem lateinischen Buchstaben kommt genau einmal vor.
Wir kšnnen im Zahlensystem mit der Basis 5 ein Zahlenquadrat mit konstanten Zeilen- und Spaltensummen bauen.
Bei den Diagonalensummen stimmt nur eine. In [1] ergibt sich mit einer anderen Buchstabenanordnung direkt ein magisches Quadrat.
Wir versuchen, auch die andere Diagonalensumme (rot) zum Stimmen zu bringen.
GrundsŠtzlich kšnnen wir zwei beliebige Zeilen oder Spalten vertauschen, ohne dass sich an den Zeilen- und Spaltensummen etwas Šndert. Allerdings wird dabei in der Regel die Stimmigkeit in der blauen Diagonale zerstšrt.
Vertauschen zweier Zeilen
Die blau unterlegten Felder sind die Ecken eines Quadrates, dessen beide diametrale Summen mit 25 gleich gro§ sind. Wir kšnnen daher die zugehšrigen Zeilen vertauschen, ohne dass die Stimmigkeit in der blauen Diagonale gestšrt wird. In der roten Diagonale haben wir neu die Summe 90. Besser, aber noch nicht gut.
Vertauschen zweier Spalten
Wir kšnnen denselben Trick nochmals anwenden und die beiden markierten Spalten vertauschen. In der roten Diagonale haben wir nun die Summe 60. Das ist zu wenig.
Nochmals Vertauschen zweier Spalten
Nach einer weiteren Vertauschungsaktion erhalten wir (zufŠllig?) die rote Diagonalensumme 65. Wir haben ein magisches Quadrat fŸr n = 5 gefunden.
Magisches Quadrat
Dass es fŸr n = 2 nicht geht, ist sofort klar. Wenn wir links oben mit anfangen, folgt:
Versuch
Im Feld links unten mŸsste wieder stehen, das ist aber bereits rechts oben gesetzt.
Euler vermutete auf Grund seiner Arbeiten, dass es fŸr alle Zahlen eine Lšsung gibt au§er fŸr 2, 6, 10, 14, ... . Einen Beweis fand er nicht. TatsŠchlich ist die Vermutung der Nichtexistenz einer Lšsung nur richtig fŸr 2 und 6. Erst 1901 wurde vom franzšsischen Mathematiker Gaston Tarry die Nichtexistenz einer Lšsung fŸr n = 6 bewiesen. Und erst 1959 fanden die amerikanischen Mathematiker Bose und Shrikhande mit Hilfe von Computern ein Gegenbeispiel (also eine Lšsung) fŸr n = 10.
Ordentlich
Unordentlich
Schlie§lich bewiesen 1960 Parker, Bose und Shrikhande, dass Eulers Vermutung falsch ist fŸr alle Zahlen grš§er oder gleich 10.
ãIch habe mit dieser Methode eine sehr grosse Zahl derartiger umgeformter Quadrate untersucht, ohne ein einziges anzutreffen, das nicht denselben Fehler aufgewiesen hŠtte: dass es nŠmlich kein System von ÒKonstruktionsformelnÓ gab, bei dem nicht die eine oder andere vertikale Reihe eine Zahl zweimal enthielt. Ich zšgere nicht, daraus zu schliessen, dass man kein vollstŠndiges Quadrat von 36 Feldern herstellen kann, und dass dieselbe Unmšglichkeit sich auf die FŠlle n = 10, n = 14 und allgemein auf alle Òungerade geradenÓ Zahlen [d.h. Zahlen, die bei Division durch 4 den Rest 2 haben] erstreckt.Ò
Ç JÕai examinŽ par cette mŽthode un trs
grand nombre de quarrŽs transformŽs semblables, sans en rencontrer un seul qui
n'ait eu le mme inconvŽnient, de ne fournir aucun Systme de directrices dont
lÕune ou l'autre bande verticale ne renferm‰t un nombre deux fois, et je n'ai
pas hŽsitŽ d'en conclure qu'on ne sauroit produire aucun quarrŽ complet de 36
cases, et que la meme impossibilitŽ s'Žtende aux cas de n = 10, n = 14 et en
gŽnŽral ˆ tous les nombres impairement pairs. È (Euler 1782).
Literatur
Euler, Leonhard (1782) : E 530, Recherches sur une nouvelle espce de quarrŽs magiques, Vlissingen 1782 - Opera I 7, p. 291-392.
Walser, Hans (2018): Magische Symmetrie. MI,
Mathematikinformation Nr. 69, 15. September 2018. ISSN 1612-9156. 25-33.
Bei der Analyse magischer Quadrate ungerader SeitenlŠnge treten verschiedene
Symmetrien auf. Umgekehrt ist fŸr die Konstruktion magischer Quadrate ein
symmetrisches modulo-Rechnen problemadŠquat. Ebenso brauchen wir ein
angepasstes symmetrisches Positionssystem.
[1] Hans Walser: Magische Quadrate ungerader SeitenlŠnge
http://www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/M/Mag_Quadrate/Mag_Quadrate.htm
[2] Hans Walser: Magisches Fraktal
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/M/Magisches_Fraktal/Magisches_Fraktal.htm
[3] Hans Walser: Magische Kreise
http://www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/M/Magische_Kreise/Magische_Kreise.htm
[4] Hans Walser: Magische Quadrate quadrieren
http://www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/M/Mag_Quadrate2/Mag_Quadrate2.htm
[5] Hans Walser: Magische Quadrate Ÿberlagern
http://www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/M/Mag_Quadrate4/Mag_Quadrate4.htm
[6] Hans Walser: Magisches Puzzle
http://www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/M/Mag_Puzzle/Mag_Puzzle.htm
[7] Hans Walser: Muster in magischen Quadraten
www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/M/Muster_i_mag_Quadraten/Muster_i_mag_Quadraten.htm
[8] Hans Walser: Magische Symmetrie (Vortrag)