Hans Walser

Entdeckungen an einem halbregulŠren FŸnfeck

Im Vortrag werden Heinrich Winters Liebe zur Geometrie, zu konkreten Handlungen und zur operativen Ausschšpfung der vertrauten Dimensionen aufgegriffen:

Wir kšnnen bei einem regulŠren FŸnfeck eine Ecke einklappen und erhalten als Restfigur ein zwar noch gleichseitiges, aber nicht mehr gleichwinkliges FŸnfeck. Mit diesem halbregulŠren FŸnfeck kšnnen wir Parkette auslegen; dies im Unterschied zum regulŠren FŸnfeck, das sich nicht zu einem Parkett auslegen lŠsst. Wir kšnnen mit unserem halbregulŠren FŸnfeck aber auch Bandornamente und Spiralen bilden, ebenso FlŠchenfŸllungen mit Drehsymmetrie.

Mit zwšlf halbregulŠren FŸnfecken lŠsst sich ein halbregulŠres Dodekaeder bauen. Es ist die nichtkonvexe ErgŠnzung zu einem regulŠren Dodekaeder. Das halbregulŠre Dodekaeder ist ein Stern mit acht Spitzen, aber verschieden von Keplers Stella octangula. Das halbregulŠre Dodekaeder wird auch als Kemper-Stern bezeichnet (Carl Kemper, 1881-1957). Es hat dieselbe Topologie wie das regulŠre Dodekaeder. Zusammen mit dem regulŠren Dodekaeder lŠsst sich der Raum lŸckenlos und Ÿberlappungsfrei ausfŸllen. Es ergibt sich die Raumstruktur eines flŠchenzentrierten WŸrfelgitters.

1     Das halbregulŠre FŸnfeck

Das regulŠre FŸnfeck kann nicht fŸr eine Parkettierung der Ebene verwendet werden. Es bleibt eine LŸcke von 36¡ (Abb. 1) (GrŸnbaum and Shephard 1987, Frontispiece).

Beschreibung: 010

Abb. 1: Keine Parkettierung mit regelmŠ§igen FŸnfecken

Wir modifizieren das regulŠre FŸnfeck: Wir klappen eine Ecke ein (Abb. 2). Die Restfigur ist ein halbregulŠres FŸnfeck. Es hat zwar gleich lange Seiten, aber ungleiche Winkel.

Beschreibung: 02

Abb. 2: HalbregulŠres FŸnfeck

2     Kombination mit dem regulŠren FŸnfeck

Zusammen mit dem regulŠren FŸnfeck kann das halbregulŠre FŸnfeck fŸr eine Parkettierung der Ebene verwendet werden (Abb. 3a).

 

Abb. 3: Parkett mit regulŠren und halbregulŠren FŸnfecken

Das Parkett enthŠlt Translationssymmetrie (blaue Pfeile in Abb. 3b), Achsensymmetrie (rot) und Schubspiegelsymmetrie (violett).

Die Abbildung 4 zeigt eine Unterteilung der Ebene mit fŸnfteiliger Drehsymmetrie.

Beschreibung: 04

Abb. 4: FŸnfteilige Drehsymmetrie

3     Bandornamente und FlŠchenornamente

Wir kšnnen aber auch mit dem halbregulŠren FŸnfeck allein arbeiten.

Die Abbildung 5 zeigt ein Bandornament. Es hat nur Translationssymmetrie. Wenn wir die Farben ignorieren, erhalten wir zusŠtzlich Schubspiegelsymmetrie.

Beschreibung: 05

Abb. 5: Bandornament

Die Abbildung 6a zeigt eine Stapelung des Bandornamentes der Abbildung 5.

Hier werden wir leicht das Opfer einer optischen TŠuschung. Sind die horizontalen Linien parallel?

Die Abbildung 6b zeigt ein eleganteres Beispiel ohne Bandornamente.

Worin besteht der Unterschied zwischen den Parketten der Abbildungen 6c und 6d?

Abb. 6: Parkette

4     Ringe und Spiralen

Die Abbildung 7a zeigt eine Konstellation mit konzentrischen Ringen. In der Abbildung 7b sind die Farben so ausgetauscht worden, dass immer verschiedene Farben an einer Kante erscheinen.

Abb. 7: Konzentrische Ringe

In der Abbildung 8a sehen wir zunŠchst keine Struktur. TatsŠchlich enthŠlt die Figur aber eine Spirale konstanter Breite, also eine archimedische Spirale (Abb. 8b).

Abb. 8: Spirale

In der Abbildung 9 haben wir zwei beziehungsweise zehn Spiralen.

Abb. 9: Weitere Spiralen


 

5     Im Raum

Die Abbildung 10 zeigt einen alten Bekannten, das regulŠre Pentagondodekaeder, eines der fŸnf regulŠren platonischen Polyeder.

Abb. 10: RegulŠres Dodekaeder

Die Abbildung 11 zeigt WŸrfel. Was steckt im WŸrfel rechts?

Abb. 11: WŸrfel

6     Abwickeln und Aufwickeln. Kemper-Stern

Wir kšnnen den rechten WŸrfel šffnen und abwickeln (Abb. 12).

Abb. 12: Abwicklung

Es kommt ein Stern zum Vorschein, der Kemper-Stern (Carl Kemper, 1881-1957 [2] ) oder das halbregulŠre Dodekaeder (Abb. 13).

Abb. 13: Kemper-Stern. HalbregulŠres Dodekaeder

Wir kšnnen nun die aus sechs Teilen bestehende Verpackung des Sterns um einen gewšhnlichen WŸrfel (links in Abb. 11) mit der Innenseite nach au§en aufwickeln und erhalten ein regulŠres Dodekaeder (rechts in Abb. 14).

Abb. 14: Aufwickeln zum regulŠren Dodekaeder

7     RegulŠres und halbregulŠres Dodekaeder

Aus zwšlf regulŠren FŸnfecken kšnnen wir das regulŠre Dodekaeder bauen (Abb. 15a). Zusammen mit dem regulŠren Tetraeder, dem WŸrfel, dem regulŠren Oktaeder und dem regulŠren Ikosaeder gehšrt es zu den fŸnf platonischen Kšrpern.

Abb. 15: RegulŠres und halbregulŠres Dodekaeder

Mit zwšlf halbregulŠren FŸnfecken kšnnen wir entsprechend das halbregulŠre Dodekaeder bauen (Abb. 15b).

8     Zusammenhang mit dem WŸrfel

Das halbregulŠre Dodekaeder passt offensichtlich in einen WŸrfel (Abb. 16b). Wir kšnnen aber auch auf den Seiten des regulŠren Dodekaeders einen WŸrfel einzeichnen (Abb. 16a).

Abb. 16: Zusammenhang mit dem WŸrfel

Wir kšnnen daher das regulŠre Dodekaeder als WŸrfels mit sechs aufgesetzten WalmdŠchern sehen. †berraschenderweise ist das halbregulŠre Dodekaeder genau die Restfigur nach dem Abschneiden von sechs WalmdŠchern vom WŸrfel. Wir kšnnen daher das regulŠre Dodekaeder als ãpositivÒ und das halbregulŠre Dodekaeder als ãnegativÒ sehen. Der WalmdachŸberschuss des regulŠren Dodekaeders entspricht dem Walmdachdefizit des halbregulŠren Dodekaeders.

Die Abbildung 17 zeigt den Zusammenhang wischen den beiden Dodekaedern.

Abb. 17: WalmdŠcher

Das Walmdach in der Bildmitte wandert vom WŸrfel rechts (Abb. 17b) zum WŸrfel links (Abb. 17a). Das erinnert an die Situation von Anionen und Kationen in der Chemie.

Das einzelne Walmdach hat die Ausma§e gemŠ§ Abbildung 18.

Beschreibung: 14

Abb. 18: Ausma§e eines Walmdaches

Dabei bezeichnet  den Goldenen Schnitt (Walser 2013) . Die Firsthšhe des Walmdaches ist .

9     Sterne mit acht Spitzen

Das halbregulŠre Dodekaeder ist ein Stern mit acht Spitzen (Abb. 14b). Es unterscheidet sich aber vom ebenfalls achtspitzigen Kepler-Stern (stella octangula, Abb. 19a).

Abb. 19: Kepler-Stern und Kemper-Stern

10  Symmetriegruppen

Das regulŠre und das halbregulŠre Dodekaeder haben unterschiedliche Symmetriegruppen. Das regulŠre Dodekaeder hat (trivialerweise) die Symmetriegruppe des Dodekaeders, das halbregulŠre Dodekaeder hat dieselben Drehsymmetrien wie das Tetraeder und die Spiegelsymmetrien des Quaders.

11  Topologie

Das regulŠre und das halbregulŠre Dodekaeder haben dieselbe Topologie (Abb. 20 und 21).

Beide haben 20 Ecken, aber im halbregulŠren Dodekaeder sind 12 der 20 Ecken hyperbolisch.

Abb. 20: Ecken, Kanten und SeitenflŠchen

Beide haben 30 Kanten, aber im halbregulŠren Dodekaeder sind 6 der 30 Kanten wie eine Talsohle.

Das regulŠre Dodekaeder hat 12 regulŠre FŸnfecke als SeitenflŠche, das halbregulŠre Dodekaeder aber 12 halbregulŠre FŸnfecke.

Die Abbildung 16 zeigt den topologischen Zusammenhang zwischen Ecken und Kanten. Hierin unterscheiden sich das regulŠre und das halbregulŠre Dodekaeder nicht.

Abb. 21: Diagramme

12  Modell

Die Abbildung 22 zeigt ein Papiermodell des halbregulŠren Dodekaeders.

Beschreibung: 17

Abb. 22: Papiermodell

FŸr das Modell werden 6 Bauteile gemŠ§ Abbildung 23 benštigt. Die schwarzen Linien sind Schnittlinien, die rote Linie ist ein Talfalt und die blauen Linien sind Bergfalte.

Beschreibung: 18

Abb. 23: Schnittmuster

Die roten Teile sind im Modell au§en sichtbar. Die grauen Teile werden seitlich eingesteckt.

Tipp: Das Modell ist nicht besonders stabil. Ich habe daher zunŠchst ein Unterbaumodell in reduzierter Grš§e (98%) gebaut und darŸber als zweite Lage das eigentlich Modell.

13  Eierbecher

Wegen der relativen Situation zwischen den beiden Dodekaedern (Abb. 17) kann das regulŠre Dodekaeder dem halbregulŠren Dodekaeder aufgesetzt werden wie ein Ei auf den Eierbecher (Abb. 24).

Beschreibung: 19

Abb. 24: Ei und Eierbecher

14  RaumfŸllung

Weder das regulŠre noch das halbregulŠre Dodekaeder sind ãRaumfŸllerÒ (Coxeter 1973, S. 68f), mit denen der Raum lŸckenlos und Ÿberlappungsfrei aufgefŸllt werden kšnnte. Hingegen kšnnen wir den Raum mit einer Kombination von regulŠren und halbregulŠren Dodekaedern gemŠ§ Abbildung 19 auffŸllen (Abb. 20).

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Abb. 25: RaumfŸller

Die Figur der Abbildung 20 ist das rŠumliche Analogon zur Figur der Abbildung 3.

Der Beweis fŸr die RaumfŸllungseigenschaft ist einfach: Der WŸrfel ist ein RaumfŸller. Wir denken uns nun in einer WŸrfel-RaumfŸllung die einzelnen WŸrfel schwarz und wei§ gefŠrbt wie ein dreidimensionales Schachbrett. Darin kšnnen wir von den schwarzen WŸrfeln je sechs WalmdŠcher abspalten und an die benachbarten wei§en WŸrfel anheften.

 

Literatur

Coxeter, H.S.M. (1973): Regular Polytopes. Third Edition. New York: Dover 1973. ISBN 0-486-61480-8.

GrŸnbaum, Branko and Shephard, Geoffrey C. (1987): Tilings and Patterns. New York: Freeman. ISBN 0-7167-1193-1.

Walser, Hans (2013): Der Goldene Schnitt. 6., bearbeitete und erweiterte Auflage. Edition am Gutenbergplatz, Leipzig. ISBN 978-3-937219-85-1.

 

Websites

[1] Stella octangula (abgerufen 03. 11. 2017)

http://mathworld.wolfram.com/StellaOctangula.html

 

[2] Carl Kemper (abgerufen 09. 12. 2017)

http://biographien.kulturimpuls.org/detail.php?&id=169

 

Last modified: 2018-02-22