Hans Walser, [20160806]

Zentralperspektive

1     Worum geht es?

Wir bearbeiten einen Aspekt der Zentralperspektive am klassischen Beispiel des Eisenbahngeleises.

Abb. 1: Oberwinterthur

Bei der Zentralperspektive wir oft fŠlschlicherweise behauptet, dass die scheinbare VerkŸrzung der LŠnge der Bahnschwellen nach einer geometrische Folge geschehe (Schmidt, 1984, S. 22). Die tatsŠchliche scheinbare VerkŸrzung geht mit einer gebrochen rationalen Funktion, im einfachsten Fall mit einer harmonischen Folge.

2     Beispiel

Die Abbildung 2 zeigt links (blau) ein korrektes, rechts (rot) ein falsches Bild.

Abb. 2: Korrektes und falsches Gleisbild

3     Didaktisch aufgearbeitetes Beispiel

Das folgende Beispiel ist so bearbeitet, dass ãschšneÒ Zahlen herauskommen.

3.1    Das Beispiel

Die Abbildung 3 zeigt links (blau) eine richtige und rechts (rot) eine falsche Darstellung. Die Bilder der Schienen sind bis zum Fluchtpunkt gefŸhrt worden.

Abb. 3: Richtige und falsche Darstellung

3.2    SchwellenlŠngen

Wir setzen die vorderste SchwellenlŠnge auf 1 (Abb. 4).

Abb. 4: SchwellenlŠngen

Im richtigen Fall (blau) erhalten wir damit fŸr die scheinbaren SchwellenlŠngen:

 

                                                                                                   (1)

 

Das ist die sogenannte harmonische Folge.

Im falschen Fall (rot) erhalten wir die scheinbaren SchwellenlŠngen:

 

                                                                                                               (2)

 

Dies ist die geometrische Folge mit .

3.3    Schwellennummerierung

Wir nummerieren die Schwellen im richtigen Fall beginnend vorne mit 1 (Abb. 5).

Abb. 5: Schwellennummerierung

Eine †berlagerung von blau mit rot zeigt, dass im falschen Fall nur noch die Schwellen mit den Nummern 1, 2, 4, 8, 16, ... vorkommen. Das sind die Zweierpotenzen. Erneut haben wir es mit einer geometrischen Folge zu tun.

3.4    Der Diagonalentest

Die oben besprochenen scheinbaren SchwellenlŠngen und Schwellennummern beweisen natŸrlich noch gar nicht, welche Darstellung nun den die richtige sei.

Da hilft der Diagonalentest weiter.

Wir zeichnen Diagonalen ein gemŠ§ Abbildung 6.

Abb. 6: Diagonalen

Diese Diagonalen sind in Wirklichkeit parallel (wir setzen gleich SchwellenabstŠnde voraus). Parallele Geraden haben aber in der Zentralperspektive einen Fluchtpunkt. Im richtigen Fall sehen wir, dass dieser Fluchtpunkt existiert und auf der Horizontlinie des Fluchtpunktes der Schienen liegt.

In der falschen Darstellung erscheinen diese Diagonalenbilder parallel. Es kann sich daher nicht um eine Zentralperspektive handeln.

3.5    Entzerrung

Die Abbildung 7 zeigt die ãWirklichkeitÒ.

Abb. 7: Entzerrte Situation

Im richtigen Fall links sind die SchwellenabstŠnde alle gleich und die Diagonalen parallel. Im falschen Fall wachsen die SchwellenabstŠnde (ebenfalls mit einer geometrische Progression) und die Diagonalen sind nicht parallel. DafŸr haben sie einen sogenannten Verschwindungspunkt.

4     Warum der Fehler?

Woher kommt die falsche Verwendung einer geometrischen Folge im Zusammenhang mit der Zentralperspektive?

Eine mšgliche ErklŠrung besteht in folgendem:

Die geometrische Folge wird in der Schule behandelt. Man lernt auch, dass fŸr einen Quotienten q betragsmŠ§ig kleiner als 1 die geometrische Reihe konvergiert. Das fŸhrt zu einer in unserem Kontext leider falschen Grundvorstellung von sichtbarem oder erreichbarem ãFluchtpunktÒ.

DemgegenŸber wird die harmonische Folge in der Schule kaum behandelt. Falls doch, wird dann auch gleich gezeigt (oder angedeutet) das die harmonische Reihe divergiert. Diese Divergenz scheint der Existenz eines sichtbaren Fluchtpunktes zu widersprechen.

Der Fehler besteht darin, dass quer und lŠngs verwechselt werden. FŸr die LŠnge bis zum Fluchtpunkt sind nicht die scheinbaren SchwellenlŠngen relevant, sondern die scheinbaren AbstŠnde zwischen den Schwellen.

Die Abbildung 8 illustriert den Sachverhalt.

Abb. 8: AbstŠnde zwischen den Schwellen

Wir setzen die LŠnge zwischen dem Bild er vordersten Schwelle und dem Fluchtpunkt auf 1.

Im korrekten Beispiel erhalten wir dann fŸr die scheinbaren AbstŠnde zwischen den Schwellen die Folge:

 

                                                                                                           (3)

 

Dies ist nicht mehr die harmonische Folge, sondern die Differenzenfolge der harmonischen Folge.

Im falschen Beispiel erhalten wir fŸr die scheinbaren AbstŠnde zwischen den Schwellen die Folge:

 

                                                                                                                  (4)

 

Dies ist nach wie vor eine geometrische Folge, bis auf den Startwert sogar dieselbe Folge wie (2).

Die zu den Folgen (3) und (4) gehšrenden Reihen sind beide konvergent und haben (trivialerweise, wir haben den Abstand zum Fluchtpunkt ja so normiert) den Wert 1.

NatŸrlich kšnnen wir diese Reihen auch direkt berechnen.

FŸr die Folge (3) ergibt sich:

 

                                                               (5)

 

 

 

Somit ist:

 

                                                                                               (6)

 

FŸr die Folge (4) ergibt sich der Grenzwert aus der Ÿblichen Formel fŸr geometrische Reihen.

 

 

Literatur

RŸsing, Michael (2016): Mathematik und Zentralperspektive. MNU Journal, Ausgabe 4.2016, 254-256.

Schmidt, Werner (1984): Mathematikaufgaben. Anwendungen aus der modernen Technik und Arbeitswelt. Stuttgart: Klett. ISBN 3-12-711100-2.

 

 

Websites

 

Walser: Falsche Perspektive (06.08.2016):

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/F/Falsche_Perspektive/Falsche_Perspektive.htm

 

Walser: Falsche Perspektive (06.08.2016):

www.walser-h-m.ch/hans/Miniaturen/F/Falsche_Perspektive2/Falsche_Perspektive2.htm