Hans Walser, [20130102]

Optimale Schachtel

Anregung: [Dodge/Viktora 2002], [GŠchter 2012]

Eine klassische Schulaufgabe wird verallgemeinert. Dabei spielen Polygone mit einem Inkreis eine wichtige Rolle.

1     Die Standardaufgabe

Bei einem Quadrat werden an den Ecken kleinere Quadrate abgeschnitten (Abb. 1a). Die verbleibenden StŸcke werden hochgeklappt, so dass eine oben offene Schachtel entsteht (Abb. 1b). Fragen der Materialdicke und der Verbindungen an den Kanten (Klebelaschen) werden vernachlŠssigt.

Bei welcher Hšhe hat die Schachtel das grš§te Volumen?

Abb. 1: Konstruktion der Schachtel

Es ist leicht nachzurechnen, dass die Hšhe der optimalen Schachtel ein Sechstel der SeitenlŠnge des Ausgangsquadrates ist.

2     Verallgemeinerung?

Die Aufgabe kann so verallgemeinert werden, dass die Lšsung einem einheitlichen Muster folgt und  bei geeigneter Formulierung immer dasselbe Resultat liefert.

Als Ausgangsfigur nehmen wir ein Polygon mit einem Inkreis, also ein so genanntes Tangentenpolygon. Die Abbildung 2 illustriert das Vorgehen fŸr ein unregelmŠ§iges FŸnfeck mit Inkreis.

Abb. 2: Verallgemeinerte Schachtel

3     Die Sache mit dem Inkreis

Wenn wir bei einem Polygon, das einen Inkreis hat, an allen RŠndern Parallelstreifen derselben Breite abschneiden, bleibt ein Restpolygon Ÿbrig, das zum Ausgangspolygon Šhnlich ist (Abb. 3). Insbesondere hat es auch einen Inkreis.

 

Abb. 3: Die Sache mit dem Inkreis

Wir bezeichnen mit R den Inkreisradius des Ausgangspolygons, mit r den Inkreisradius des Restpolygons. Es hat gegenŸber dem Ausgangspolygon den LŠngenreduktionsfaktor . Dieses Restpolygon wird dann zum Boden der Schachtel.

Die Differenz  ist zunŠchst die Breite der Parallelstreifen und dann die Hšhe der Schachtel.

4     Die Rechnung

Wir bezeichnen mit A den FlŠcheninhalt des Ausgangspolygons. Das Restpolygon, also der Schachtelboden, hat dann den FlŠcheninhalt:

 

 

FŸr das Schachtelvolumen V ergibt sich:

 

 

Nun lŠuft es weiter wie in der Schule:

 

 

Wir erhalten die beiden Lšsungen  (Minimum) und  (Maximum). Die optimale Lšsung ist also:

 

 

 

Die Lšsung ist unabhŠngig von der Form des Ausgangspolygons und hŠngt nur vom Inkreisradius R ab.

Die Abbildung 4 zeigt die optimale Schachtel im SchrŠgbild mit dem Inkreis im Restpolygon am Boden.

Abb. 4: Optimale Schachtel

5     Der Abfall

Der Abfall an den Ecken lŠsst sich zu einem weiteren Šhnlichen Polygon zusammenfŸgen (Abb. 5).

Abb. 5: Abfallsammelstelle

Im optimalen Fall hat diese Abfallfigur den Inkreisradius . Ihre FlŠche ist also . Die OberflŠche der optimalen Schachtel ist .

6     Bemerkungen

6.1    Quadrat

Das Quadrat des EinfŸhrungsbeispiels hat die SeitenlŠnge 2R. Die optimale Hšhe ist also ein Sechstel der SeitenlŠnge.

6.2    Kreis und Kreiszylinder

Die Sache funktioniert auch noch mit einem Kreis als Ausgangsfigur. Hier kommt die Vorstellung eines Vieleckes mit unendlich vielen Ecken zum Tragen. Das Einschneiden bei den Ecken braucht etwas Intuition (Abb. 6).

Abb. 6: Oben offener Kreiszylinder

7     Andere Dimensionen

7.1    Allgemein. Eine Vermutung

Ich vermute, dass sich die Sache in den  verallgmeinern lŠsst: Im  beginnen wir mit einem Polytop (Verallgemeinerung von Punkt, Strecke, Polygon, Polyeder ... , vgl.  [Coxeter 1973]), das eine SphŠre  mit dem Radius R als InsphŠre hat. Das Polytop habe das n-dimensionale Volumen A.

Nun reduzieren wir das Polytop mit dem LŠngenfaktor  (zentrische Streckung). Das reduzierte Polytop hat das n-dimensionale Volumen . Die fŸr mich offene Frage ist nun, wie das Ausschneiden an den Ecken zu verallgemeinern ist. Man muss wohl auch noch an Kanten etc. etwas wegschneiden. Jedenfalls klappen wir dann hoch in den . So entsteht eine oben offene Schachtel im  mit dem reduzierten Polytop als Boden. Boden und Seiten der Schachtel sind n-dimensionale Hyperebenen im . FŸr das -dimensionale Volumen V der Schachtel erhalten wir:

 

 

Es ist:

 

 

Das optimale Volumen erhalten wir fŸr  und .

7.2    Eindimensional

Wir biegen eine Strecke der LŠnge 2R an beiden Enden rechtwinklig hoch (Abb. 7). Die optimale FlŠche erhalten wir fŸr . Anwendung: Querschnitt eines Kanals.

Abb. 7: Optimaler Fall

Bei diesem Beispiel muss nichts weggeschnitten werden, es entsteht kein Abfall.

8     Rechteck und Quader

Das Rechteck hat keinen Inkreis und passt daher nicht zu unseren Beispielen. In SonderfŠllen passt es aber gleichwohl.

Abb. 8: Rechteck und quaderfšrmige Schachtel

Wir arbeiten mit einer Schachtel der LŠnge 2a und der Breite 2b (Abb. 8). In AbhŠngigkeit der Hšhe h erhalten wir das Volumen V:

 

 

FŸr die optimale Schachtel ergibt sich die Hšhe:

 

 

Insbesondere ist . Das ist der Sonderfall des Quadrates.

Wenn wir b konstant halten, aber a immer grš§er werden lassen, muss sich der Fall des Querschnittes eines Kanals ergeben. Die Limesbildung ist etwas aufwŠndig (vgl. [Dodge/Viktora 2002]).

 

 

 

Dies entspricht tatsŠchlich dem Fall des Kanalquerschnittes.

 

Literatur

[Coxeter 1973]              Coxeter, H.S.M.: Regular Polytopes. Third Edition. New York: Dover 1973. ISBN 0-486-61480-8

[Dodge/Viktora 2002]   Dodge, Walter and Viktora, Steve: Thinking out of the Box ... Problem. National Council of Teachers of Mathematics 2002.

[GŠchter 2012]              GŠchter, Albert A.: Aufgabenkultur. Anregungen fŸr den Mathematikunterricht. St. Gallen: mefi-Verlag 2012. ISBN 978-3-9523962-1-6.