Hans Walser, [20150608]

Negative Dimensionen

1     Die Frage

AnlŠsslich eines Workshops Ÿber hšherdimensionale HyperwŸrfel stellte ein SchŸler die Frage, ob es auch WŸrfel der Dimension –1 gebe.

Wir denken zunŠchst Ÿber HyperwŸrfel mit positiven ganzzahligen Dimensionen nach und versuchen dann Verallgemeinerungen.

2     HyperwŸrfel mit positiven Dimensionen

2.1    Anzahl der Bauteile

Die Tabelle 1 ist die Bauteiltabelle fŸr HyperwŸrfel.

Die Dimension des HyperwŸrfels wird mit n bezeichnet. FŸr n = 0, n = 1 und n = 2 sind die Sonderbezeichnungen Punkt, Strecke und Quadrat gelŠufig.

Mit k bezeichnen wir die Bauteildimension.

 

n\k

0

1

2

3

4

5

0

1

 

 

 

 

 

1

2

1

 

 

 

 

2

4

4

1

 

 

 

3

8

12

6

1

 

 

4

16

32

24

8

1

 

5

32

80

80

40

10

1

Tab. 1: Bauteile

 

Lesebeispiel: Der gewšhnliche WŸrfel ist dreidimensional, also ist n = 3. Er hat 8 Ecken (Dimension k = 0), 12 Kanten (Dimension k = 1), 6 Seitenquadrate (Dimension k = 2) und schlie§lich einmal sich selber (Dimension k = 3).

2.2    Bezeichnungen

Mit  bezeichnen wir im n-dimensionalen HyperwŸrfel die Anzahl der Bauteile der Dimension k. Die  sind also die EintrŠge der Tabelle 1.

Die nach unten offene Dreiecksmatrix der  bezeichnen wir mit B.

2.3    Rekursion

Es gilt die Rekursion:

 

 

Herleitung durch eine geometrische †berlegung: Kopieren und Verschieben in eine weitere freie Richtung, die zu den bisherigen Richtungen orthogonal ist.

2.4    Link zu den Binomialkoeffizienten

Weglassen des Faktors 2 in der Rekursion gibt die Rekursion der Binomialkoeffizienten.

Wenn wir mit P die nach unten offene Dreiecksmatrix der Binomialkoeffizienten verstehen (Pascal-Dreieck), gilt:

 

 

2.5    Explizite Formel

Es gilt:

 

 

Hier zeigt sich erneut ein Link zu den Binomialkoeffizienten.

2.6    Zeilensummen

Es ist:

 

Vergleiche dazu:

 

2.7    Alternierende Zeilensummen

Es ist:

 

 

Wir haben eine Invariante. Im Prinzip ist das die Euler-Charakteristik.

2.8    Link zur binomischen Formel

Es ist:

 

 

 

 

 

 

Wir sehen, wie der Hase lŠuft. Die Koeffizienten sind die EintrŠge aus unserer Bauteiltabelle. Die Potenzen der x entsprechen den Dimensionen der Bauteile.

Allgemein ist:

 

 

Die Abbildung 1 zeigt die Grafen  fŸr .

 

Abb. 1: Grafen

 

3     Ganze Dimension

Nun sei n eine ganze Zahl. Sie kann also auch negativ sein.

3.1    Bauteiltabelle

Die explizite Formel  funktioniert auch in diesem Fall.

Wir erhalten damit:

 

n\k

0

1

2

3

4

5

0

1

 

 

 

 

 

1

2

1

 

 

 

 

2

4

4

1

 

 

 

3

8

12

6

1

 

 

4

16

32

24

8

1

 

5

32

80

80

40

10

1

Tab. 2: Bauteile

 

3.2    Warum funktioniert das?

Der kritische Punkt sind die Binomialkoeffizienten. Wir kšnnen diese wie folgt definieren und berechnen:

 

 

Diese Formel funktioniert fŸr beliebiges , insbesondere also auch fŸr negative ganze Zahlen n. Allerdings haben wir in diesem Fall keinen Faktor null im ZŠhler, die Formel funktioniert daher fŸr beliebig gro§e k. Daher ergibt sich im oberen Teil der Tabelle 2 keine Dreiecksmatrix. Es wird der ganze Quadrant ausgefŸllt.

3.3    Rekursion

In der Tabelle 2 der Bauteile gilt die Rekursion  auch im oberen Teil und insbesondere beim †bergang vom oberen Teil zum unteren Teil. Der Autor gesteht, dass er zunŠchst mit dieser Rekursion und RŸckwŠrtsrechnen den oberen Teil der Tabelle 2 bestimmt hat.

3.4    Zeilensummen

Aus der Tabelle 2 erhalten wir fŸr  die Zeilensumme (nun eine Reihe):

 

 

Das passt zur Zeilensumme .

FŸr  wird die Zeilensumme spannend:

 

 

CAS gibt den Wert , aber das wollen wir nun selber berechnen. Dazu arbeiten wir mit der formalen Potenzreihe:

 

 

Wir leiten links und rechts ab:

 

 

 

 

Vergleich ergibt:

 

 

Einsetzen von  liefert:

 

 

 

Die Rechnerei hŠtten wir uns allerdibgs sparen kšnnen: Wegen der Rekursionsformel ist eine Zeilensumme jeweils das Dreifache der Zeilensumme der darŸber liegenden Zeile.

3.5    Alternierende Zeilensumme

Aus der Tabelle 2 ergibt sich fŸr  die alternierende Zeilensumme:

 

 

Die Euler-Charakteristik stimmt also auch hier.

FŸr  wird die Sache trickier. Wir verwenden wieder die Formel:

 

 

und erhalten fŸr :

 

 

Wer Lust hat, kann die Euler-Charakteristik fŸr  oder gar allgemein nachrechnen.

 

3.6    SchrŠgzeilensummen

Wir rechnen im oberen Teil der Tabelle 2 von links oben nach rechts unten mit der Steigung –1. Da haben wir ja schon lŠngst die Binomialkoeffizienten entdeckt.

FŸr die SchrŠgzeilensumme erhalten wir (mit der Ausnahme der untersten SchrŠgzeile) den Wert null.

FŸr die alternierende SchrŠgzeilensumme erhalten wir durchgehend den Wert .

3.7    Taylor

Die EintrŠge in der Bauteiltabelle treten auch als Koeffizienten in Taylor-Entwicklungen auf. Die Beziehung

 

 

kann auf negative n Ÿbertragen werden. Es gilt fŸr negative ganze Zahlen n:

 

 

Wir mŸssen mit Taylor-Entwicklungen arbeiten.

Beispiele:

FŸr n = –1 erhalten wir:

 

 

FŸr n = –2 erhalten wir:

 

 

Die Abbildung 2 zeigt die Grafen fŸr .

 

Abb. 2: Grafen auch fŸr negative Exponenten

 

4     Link mit den Binomialkoeffizienten

Die Tabelle 3 zeigt die Binomialkoeffizienten auch fŸr negative Werte von n.

 

n\k

0

1

2

3

4

5

1

21

126

1

15

70

1

10

35

1

6

15

1

3

5

1

1

1

0

1

 

 

 

 

 

1

1

1

 

 

 

 

2

1

2

1

 

 

 

3

1

3

3

1

 

 

4

1

4

6

4

1

 

5

1

5

10

10

5

1

Tab. 3: Binomialkoeffizienten

 

Die Ÿbliche Rekursion der Binomialkoeffizienten gilt auch im oberen Teil und insbesondere beim †bergang vom oberen Teil zum unteren Teil.

Wir erkennen im oberen Teil ein ãschrŠgesÒ und alternierend mit Minuszeichen versehenes Pascaldreieck.

FŸr die Zeilensumme gilt ja im Pascaldreieck die Formel . Da haben wir im negativen Teil etwas MŸhe. FŸr  ergibt sich die Zeilensumme:

 

 

Das fŸhrt zum berŸhmten Dialog zwischen Silvia und Silvio:  

Silvia fasst in Zweiergruppen zusammen und erhŠlt null:

 

 

Silvio macht dasselbe, lŠsst aber die vorderste 1 stehen:

 

 

Wer hat Recht? In einer Konkordanzdemokratie wŸrde man den salomonischen Mittelwert  aushandeln. Das ist erst noch der erwartete Wert .

Wir kšnnen auch die Formel fŸr geometrische Reihen anwenden:

 

 

Das gibt zwar auch den erwarteten Wert , ist aber etwas abenteuerlich. Wir reiten auf dem Konvergenzradius.

Interessant ist, dass wir bei der Bauteiltabelle (Tabelle 2) keine derartigen Probleme mit der Konvergenz haben.

5     HyperwŸrfel mit Dimension –1

GemŠ§ der Tabelle 2 besteht der HyperwŸrfel der Dimension –1 aus folgenden Bauteilen:

 

Also:

Voilˆ.

Der Autor gesteht, dass er sich das auch nicht vorstellen kann.

6     Ausblick: Gebrochene Dimensionen

Die Taylor-Entwicklung kšnnen wir natŸrlich auch fŸr gebrochene Exponenten vornehmen. Im Folgenden zwei Beispiele.

6.1    Dimension ½

FŸr  ergibt sich:

 

 

Dabei definieren wir:

 

 

 

 

In Zahlen:

 

 

Am Anfang ist das alternierende Vorzeichen gestšrt. Das ist aber korrekt so.

6.2    Dimension –1/2

FŸr  ergibt sich:

 

 

In Zahlen:

 

 

Der Vergleich mit der Dimension ½ ist interessant.