Hans Walser, [20131205]

Das Hohle-Gasse-Paradoxon

Durch diese hohle Gasse muss er kommen. Es fŸhrt kein andrer Weg nach KŸssnacht.

Schiller, Wilhelm Tell

Ein (scheinbares) Paradoxon: Der Weg in der hohlen Gasse steigt leicht an, links und rechts tŸrmen sich sehr steile WŠnde und Bšschungen. Wir befinden uns im Punkt G mitten auf dem Weg durch die hohle Gasse (Abb. 1). In welcher Richtung ist nun die Steigung am grš§ten?

Abb. 1: Die hohle Gasse in der Karte

Bearbeitung

Die Frage lšst bei SchŸlern und Studierenden heftige Diskussionen aus. Die einen sagen, am steilsten sei es nach links oben, wo die Hšhenlinien nahe beieinander liegen. Nach rechts unten ist es auch steil, aber etwas weniger.

Die korrekte Antwort ist aber die, dass es auf dem leicht ansteigenden Weg in der hohlen Gasse, also geradeaus, am steilsten ist.

Formal kann das damit begrŸndet werden, dass der Gradient, also die Richtung des steilsten Anstieges, rechtwinklig zu den Hšhenlinien steht. Aber gerade diese formale BegrŸndung wird als unsinnig angesehen: ãDie spinnen, die MathematikerÒ.

Das Problem basiert auf einer Vermischung von lokalem und globalem Denken. Um nach links oben zu gelangen, mŸssen wir uns auf dem Weg in der hohlen Gasse zunŠchst etwas seitwŠrts bewegen, also in etwa in der Richtung der Hšhenlinie. Das ist aber horizontal, im Gegensatz zum leicht ansteigenden Weg in der hohlen Gasse.

Wenn wir uns vorstellen, dass in der hohlen Gasse so dichter Nebel herrsche, dass wir nicht einmal mehr die Seitenbšschungen sehen, stellt sich das Problem gar nicht mehr, und der steilste Anstieg ist selbstverstŠndlich geradeaus.

Aus diesem dichten Nebel oder besser aus der verbleibenden kurzen Sichtdistanz haben die Mathematiker dann die berŸhmte Epsilon-Umgebung gemacht.